Mäßigung und Selbstbeherrschung stehen für die Entscheidung und Wahl des Mittelweges und den mangelnden Wunsch zu den zwei Seiten der Übertreibung und Untertreibung zu tendieren. Für diesen Begriff werden in den islamischen Quellen Bezeichnungen wie „قصد“[1] (Absicht oder Ziel), „اقتصاد“[2] (Wirtschaft oder Ökonomie) und „وسط“[3] (Mitte) verwendet.
Bei einer Betrachtung islamischer Lehren erkennt man diesen bedeutenden Aspekt, dass das Prinzip der Mäßigkeit in der Ausübung der Gebote und Verordnungen im Islam ebenso bedingt ist, wie das Prinzip des Monotheismus mit den Geboten und Regeln des Islams verflochten ist. Das Leben des edelmütigen Propheten (s.) und der Reinen Nachkommenschaft (a.) als Vorbild und Leitbild der Menschheit war ebenfalls erfüllt von Mäßigung und Selbstbeherrschung. Seine Exzellenz, Imam Ali (a.), äußerte nämlich zum Verhalten und zur Handlungsweise des Propheten (s.) folgendes: „سیرته القصد“[4] „Die Handlungsweise und das Verhalten des Gesandten Gottes (s.) war gemäßigt.“
Der Gesandte Gottes bewahrte bei seinem persönlichen Verhalten, innerhalb der Familie und Gesellschaft, bei der Durchführung seiner Aufgaben und Politik, bei der Gegenüberstellung mit Feinden und sogar auf dem Schlachtfeld die Dimensionen der Mäßigung und mied Übertreibung und Untertreibung in jeder Form und bestand inständig darauf, dass seine Anhänger ihm folgen und in ihrem Leben Mäßigkeit walten ließen. Aus diesem Grund äußert er folgendes: „یا ایها الناس علیکم بالقصد، علیکم بالقصد، علیکم بالقصد „[5] „Oh ihr Menschen! Mäßigt euch! Mäßigt euch! Mäßigt euch!“
Leider haben sich viele Menschen und Gesellschaften aufgrund von Übertreibung und Untertreibung von diesem Prinzip und dem rechten Weg entfernt. Im Allgemeinen ist ein intelligenter Mensch ein gemäßigter Mensch und ein unwissender Mensch ein unausgeglichener Mensch. In diesem Zusammenhang äußert Imam Ali (a.) folgendes: „لاتری الجاهل الا مُفرطاً أو مُفرّطاً“[6] „Man sieht den Unwissenden nicht, außer wenn er übertreibt oder untertreibt.“
Die Domäne der Mäßigkeit und Selbstbeherrschung im Islam
Die Mäßigung und Selbstbeherrschung besitzt eine weite Domäne und wird überall als ein unverzichtbares Prinzip vorgestellt. Aus der Sicht des Islam sollte die Mäßigung auf vollständige Weise und in allen individuellen und gesellschaftlichen Lebensbereichen des Menschen vorherrschen und immer und überall die Gedanken und das Verhalten und die Sprache der Menschen bestimmen. Einige der bedeutendsten Dimensionen der „Mäßigung“, welchen im Islam Beachtung geschenkt wird, werden im Folgenden aufgeführt:
- Mäßigung in individuellen und persönlichen Angelegenheiten
Der Islam hat die Mäßigung in den Bereichen individueller und persönlicher Angelegenheiten wie beispielsweise beim Gebet, in der Sprache, im Verhalten im Sinn und besteht darauf. Im Folgenden sind Beispiele dafür aufgeführt:
- a) Mäßigung in den Gedanken
Die Quelle aller menschlichen Entscheidungen liegt in den Gedanken und Ansichten des Menschen. Wenn die Gedanken eines Menschen gemäßigt sind, beschreitet das Verhalten dieses Menschen den Weg der Mäßigung und wenn seine Ansichten am Mangel an Mäßigkeit erkrankt sind, verfallen auch die Taten dieses Menschen der Übertreibung und Untertreibung. Seine Exzellenz, Imam Ali (a.), äußert folgendes: „Derjenige, der vor der Unternehmung einer Tat nachdenkt und reflektiert, erweitert die Richtigkeit seiner Tat.“[7] Das Mittelmaß liegt genau in der reinen monotheistischen Glaubensansicht, welche sich unter den abergläubischen, blasphemischen, heidnischen und dreieinigen Ansichten, dem Mönchtum, der Prädestination, der Reinkarnation, der Materialität und anderswo als „gerader Weg“ zeigt und alle Recht suchenden Monotheisten versammelt und zum Heim des Zieles (also die göttliche Nähe) führt.
- b) Mäßigung in der Arbeit und im Gebet
Der Mensch ist ein zweidimensionales Wesen und muss seine physischen und geistigen Bedürfnisse auf legitimem und angemessenem Wege stillen. Er muss sowohl seinem Körper und dessen materiellen Bedürfnissen Beachtung schenken als auch sich um die Entwicklung seines Geistes und dessen Erweiterung bemühen. Er muss also sowohl sein Jenseits im Sinn haben, aber darf auch sein Diesseits nicht vernachlässigen. Wahre Gläubige teilen ihr Leben zwischen ihrem Diesseits und Jenseits auf und widmen jedem von Ihnen genügend Zeit. Sie leiten ihr diesseitiges Leben auf schlichte, jedoch würdige Art und Weise und widmen sich mit Zuneigung und Liebe dem Gebet und der Vorbereitung für ihren Weg des Jenseits und opfern weder ihr Diesseits für das Jenseits noch umgekehrt.
Obwohl das Gebet zu den ehrenwertesten Lebensangelegenheiten des gläubigen Menschen gehört, erachtet der Islam die Mäßigkeit und Selbstbeherrschung beim Gebet als bedeutende Thematik. Übertreibung und Fanatismus im Gebet und der Anbetung führen nämlich zur Abkehr vom Gebet und der Anbetung. Andererseits neigen die meisten Menschen, vor allem die jungen, aufgrund hoher Beschäftigung mit weltlichen Ablenkungen zu Nachlässigkeit in Bezug auf ihr Gebet, sodass sie nicht einmal die verpflichtenden Gebete verrichten und sie nicht beachten. Diese Tatsache ist auch unangemessen und nicht lobenswert.
- c) Mäßigung beim Laufen
Obwohl das Laufen oberflächlich betrachtet simpel und trivial ist, beachtet der heilige Koran die Mäßigung beim Laufen und offenbart folgendes: „و اقصُد فی مشیک“ “ Halte das rechte Maß in deinem Gang.“ (Luqman | 31: 19). Der allmächtige Gott sieht als erstes Anzeichen seiner besonderen göttlichen Geschöpfe ihre Mäßigung beim Laufen und offenbart folgendes: „و عباد الرحمن الذین یمشون علی الارض هونا“ „Die Diener des Allerbarmers sind diejenigen, die maßvoll auf der Erde umhergehen.“ (Al-Furqan | 25: 63).
- d) Mäßigung beim Reden
Das Reden und die Ausdruckskraft gehören zu den großen göttlichen Segnungen und bilden den bedeutendsten Faktor bei der Übertragung und Vermittlung von Gedanken und Geheimnissen der Menschen. Der allmächtige Gott hat den Menschen mit dieser Gabe gesegnet, welche ihn von den übrigen Geschöpfen unterscheidet. Der allmächtige Gott offenbart in diesem Zusammenhang folgendes: “ الرحمن علم القرآن خلق الانسان علمه البیان “ „Der Allerbarmer hat den Koran gelehrt. Er hat den Menschen erschaffen. Er hat ihn die klare Darlegung gelehrt.“ (Ar- Rahman | 55: 1-4).
Nichtsdestotrotz verwandelt sich dieser Segen zu Verwicklungen und Verhängnissen für den Menschen, wenn das Reden seinen mäßigen Rahmen sprengt und zur Tirade wird. Aus diesem Grund bevorzugen die Gelehrten der Moral, außer in erforderlichen Situationen, das Schweigen und erachten es als besser als das Sprechen. Imam Ali (a.) äußert in diesem Zusammenhang folgendes: “ الکلام کالدواء، قلیله ینفع و کثیره قاتل „[8] „Das Sprechen gleicht einem Medikament. Eine geringe Menge davon ist von Vorteil, eine Übertreibung und Überdosis ist gefährlich und tödlich. An einer anderen Stelle offenbart seine Exzellenz folgendes: “ من کثر کلامه کثر خطاؤه „[9] „Eine Person, die viel spricht, besitzt auch viele Fehler und Verstöße. Folglich muss die Rede eines Menschen im Allgemeinen rational, weise, bedacht und fern von Übertreibung und Untertreibung sein, damit der Mensch nicht in moralische und gesellschaftliche Schäden und Nachteile versinkt.
- e) Mäßigung in Schlaf und Genuss
Essen und Trinken und auch das Ausruhen gehören zu den Dingen, bei denen viele Menschen zur Übertreibung und Untertreibung neigen, wobei in Bezug auf diese Dinge eher übertrieben als untertrieben wird. In einer Überlieferung zu Imam Reza (a.) steht geschrieben, dass er folgendes geäußert hat: „Du musst wissen, dass der menschliche Körper einem landwirtschaftlichen Feld gleicht. Um Früchte tragen zu können, muss dieses Feld auf geeignete und gemäßigte Weise bewässert und gedüngt werden. Nicht zu viel Wasser, sodass das Feld überschwemmt wird und auch nicht zu wenig Wasser, sodass es nach Wasser dürstet. Der Körper des Menschen ist genauso. Mit der Beachtung und Vorsicht beim Genuss von Essen und Getränken erlangt der Körper Gesundheit und Wohlbefinden und erreicht Segen und Gunst.[10]
Zu der Zeit von Haroon Alrashid lebte ein bekannter christlicher Mediziner in Baghdad. Eines Tages fragte dieser Mediziner den islamischen Gelehrten, der als „Vaghedi“ („واقِدی“) bekannt war, folgendes: „Existiert in eurem Koran auch etwas über die Medizin?“ Vaghedi antwortete: „Ja, ein kurzer Satz. “ کلوا و اشربوا و لاتسرفوا““ Esst und trinkt, aber seid nicht maßlos!“ (Al-A’raf | 7: 31). Der christliche Mediziner fragte: „Hat euer Prophet etwas zur Medizin gesagt?“ Vaghedi antwortete: „Ja, der edelmütige Prophet (s.) äußerte folgendes: „المِعدَة بيت کلِّ داءٍ وَ الحَمِئَة رَاس کلِّ دَواءٍ“[11] „Der Magen ist der Ort und das Heim aller Schmerzen und das Fasten und die Selbstbeherrschung vor Gefräßigkeit sind die Vorreiter aller Medikationen und Heilungen.““
In Bezug auf die Gefräßigkeit äußert Imam Sadegh (a.) folgendes: „Für das Herz eines Gläubigen gibt es nichts Unheilbringenderes als Gefräßigkeit. Eine solche Tat führt zu Herzlosigkeit und Erregung der Lust. Diese beiden Phänomene sind auch die Quelle individueller und gesellschaftlicher Korruption.
- f) Mäßigung im Materialismus
Der Islam rät weder zur ausschließlichen Orientierung am Diesseits noch zur absoluten Orientierung am Jenseits. Diese Religion lädt ihre Anhänger vielmehr dazu ein, Mäßigung und Ausgeglichenheit bei der Verwendung der Welt und ihrer Möglichkeiten walten zu lassen. Imam Sadegh (a.) äußert folgendes: “ حبّ الدنیا راس کل خطیئة “ „Eine extreme Zuneigung zur Welt stellt die Quelle aller Sünden dar.“ [12]
Andererseits offenbart der heilige Koran zur Vorbeugung vor Untertreibung und zur Bekämpfung der vollkommenen Abkehr von der Welt folgendes: „لاتنس نصیبک من الدنیا“ “ Vergiss aber auch nicht deinen Anteil am Diesseits.“ (Al-Qasas | 28: 77). Außerdem äußert Imam Sadegh (a.) folgendes: „لیس منا من ترک دنیاه لآخرته و لاآخرته لدنیاه“[13] „Derjenige, der sich aufgrund seines Jenseits von seinem Diesseits abkehrt oder sein Jenseits aufgrund seines Diesseits vernachlässigt, gehört nicht zu uns.“
- g) Mäßigung in der Wut und im Zorn
Zweifellos gehört die Kraft der Wut und des Zorns zu den Kräften, welche der allmächtige Gott in der Existenz des Menschen erschaffen hat, damit der Mensch sich vor Bedrohungen schützen und eventuelle Schäden vermeiden kann. Der heilige Koran offenbart bei der Vorstellung des islamischen Propheten (s.) und seiner Gefährten folgendes: “ مُحَمَّدٌ رَسولُ اللَّهِ وَالَّذینَ مَعَهُ أَشِدّاءُ عَلَى الکُفّارِ رُحَماءُ بَینَهُم“ „Muhammad ist Allahs Gesandter. Und diejenigen, die mit ihm sind, sind den Ungläubigen gegenüber hart, zueinander aber barmherzig.“ (Al-Fath | 48:29).
Auf diese Weise ist dieser geistige Zustand nur dann zum Vorteil und sinnvoll, wenn er erstens in der richtigen Situation zum Vorschein tritt und zweitens mit Mäßigung und Selbstbeherrschung verschmolzen ist. Der Weg der Mäßigung und Selbstbeherrschung drückt sich in diesem Zusammenhang in Sanftmut, Toleranz und Zurückhaltung bei der Gegenüberstellung mit Wut und im akkuraten und angemessenen Ausbruch von Zorn aus. Der heilige Koran offenbart mit hoher Genauigkeit und Übersichtlichkeit in diesem Zusammenhang folgendes: “ لا يَجْرِمَنَّکُمْ شَنَآنُ قَوْمٍ عَلى أَلاَّ تَعْدِلُوا اعْدِلُوا هُوَ أَقْرَبُ لِلتَّقْوى “ “ Und der Hass, den ihr gegen (bestimmte) Leute hegt, soll euch ja nicht dazu bringen, dass ihr nicht gerecht handelt. Handelt gerecht. Das kommt der Gottesfurcht näher. “ (Al-Ma’ida | 5: 8). Seine verehrte Exzellenz, Imam Sajad (a.) äußert hierzu folgendes: „Ein wahrer Gläubiger ist derjenige, der in der Wut die Gerechtigkeit nicht vernachlässigt.“[14]
- h) Mäßigung bei der Befriedigung sexueller Bedürfnisse
Der Islam lädt bei den sinnlichen Wünschen und sexuellen Bedürfnissen zu Mäßigkeit und Gleichgewicht ein. Im Gegensatz zu einigen extremen Ansichten, welche im Westen verbreitet sind und eine grenzenlose Freiheit in diesem Zusammenhang fordern und auch im Gegensatz zu den Ansichten des Mönchtums, welches die Ehelosigkeit und Vernachlässigung sexueller Bedürfnisse propagiert, wählt und stellt der Islam den Weg der Mäßigung und Selbstbeherrschung in Bezug auf sexuelle Angelegenheiten vor. Mit der Planung der Ehe und der legitimen Befriedigung sexueller Bedürfnisse zeigt der Islam einen Weg der Mitte und ohne jegliches Übel und jegliche Korruption auf und lädt die jungen Menschen zur Eheschließung ein.
Im Buch „Makarem Akhlagh“ steht folgendes: „Eines Tages ging eine Frau zu Imam Bagher (a.) und sagte: „Ich habe beschlossen, niemals zu heiraten, um durch diese Tat Tugenden und Erhabenheit zu erlangen.“ Seine Exzellenz erwiderte: „Kehre ab von dieser Ansicht. Wenn diese Tat Tugenden bringen würde, wäre ihre Exzellenz Fatemeh Zahra (a.) würdiger sie zu erlangen als du es bist, da sie niemand in Bezug auf Tugend übertreffen kann.“ [15]
Die Eheschließung gehört zu der Tradition des edelmütigen Propheten des Islam (s.) und wird von ihm bekräftigt. Imam Sadegh (a.) äußert hierzu folgendes: „Heiratet, wie auch der Gesandte Gottes (s.) offenbart: „Jeder, der meinem Weg folgen möchte, sollte wissen, dass die Eheschließung auch zu ihnen gehört.““[16]
Andererseits kritisiert der Islam die sexuelle Freiheit und grenzenlose und extreme Befriedigung sexueller Bedürfnisse und warnt vor deren Folgen. Seine Exzellenz Imam Ali (a.) äußert folgendes: Derjenige, der bei der Lust zur Übertreibung neigt, zieht Unglück mit hoher Geschwindigkeit an.[17]
- Mäßigung in gesellschaftlichen Dingen
Bei gesellschaftlichen Anlässen und Begegnungen gehört die Einhaltung der Mäßigkeit und Selbstbeherrschung zu den unweigerlichen und entscheidenden Prinzipien. Im Folgenden wird auf einige Aspekte hingewiesen:
- a) Selbstbeherrschung in der Wirtschaft
Die Einhaltung von Grenzen und Selbstbeherrschung bei den Ausgaben gehören zu den bedeutendsten Verpflichtungen jedes Muslims. Eine gläubige Person ist dazu verpflichtet, in ihrem möglichen persönlichen Rahmen zur Wirtschaft seiner Gesellschaft beizutragen und sich neben der Bestreitung ihrer Lebensunterhaltskosten am Wirtschaftsboom und Aufbau ihres Landes zu beteiligen. Im Islam unterscheiden sich die islamisch erlaubten und gesetzlichen Einnahmequellen von den islamisch verbotenen und illegalen Einnahmequellen. Jede Person, welche ihr Einkommen auf legitimem Wege erzielt, wird zu dessen Besitzer und darf nach rationaler und islamrechtlicher Ansicht darüber walten. Hierbei sind Übertreibungen und Untertreibungen im Verbrauch unangemessen.
Diese Selbstbeherrschung bei den Ausgaben steht jedoch in keiner Verbindung mit der Höhe des Einkommens. Es ist offensichtlich, dass bei Personen mit einem geringerem Einkommen eine höhere Bedeutung dieser vernommen wird. Der Islam fordert seine Anhänger jedoch dazu auf, bei ihren Ausgaben die Mäßigung einzuhalten, in welcher Situation auch immer sie sich auch befinden, selbst wenn sie aus finanzieller Sicht wohlhabend und vermögend sind. In einer Überlieferung zu seiner Exzellenz Imam Bagher (a.) steht geschrieben, dass er folgendes geäußert hat: „Es gibt drei Dinge, welche den Menschen erretten: (Erstens) Die verborgene und offensichtliche Ehrfurcht vor dem allmächtigen Gott, (zweitens) die Selbstbeherrschung bei den Ausgaben, in Reichtum und Armut, (drittens) gerecht sprechen, in Heiterkeit und Zorn.“[18] Imam Ali (a.) äußert auch folgendes: „Das Reichtum und die Unabhängigkeit derjenigen Person, die Selbstbeherrschung pflegt, währen fort.“[19]
- b) Mäßigung in der Freund- und Feindschaft
Obwohl der Islam die freundschaftlichen Bindungen, welche unter den Muslimen entstehen, befürwortet und diese Freundschaft als eine wertvolle und kostbare Investition erachtet, ist diese Religion jedoch strikt gegen eine Übertreibung in der Freundschaft und freundschaftlichen Verbindung und rät zur Mäßigung in freundschaftlichen Beziehungen. Einige Menschen neigen zu Übertreibungen in ihrer Freundschaft, sodass sie ihren Freunden all ihre Geheimnisse und sogar persönliche Dinge aus ihrem Leben anvertrauen, obwohl diese Person eines Tages sogar zu ihrem Feind werden könnte. Der edelmütige Gesandte (s.) äußert folgendes: „Hege eine mäßige Freundschaft zu deinem Freund, da dieser Freund eines Tages zu deinem Feind werden könnte; und sei auch bei deinen Feindschaften mäßig, da dieser Feind eines Tages zu deinem Freund werden könnte.“[20] In einem Brief an seinen Sohn weist seine Exzellenz Imam Ali (a.) auf diesen bedeutenden und feinen Aspekt hin und schreibt folgendes: „Wenn du den Kontakt zu deinem Bruder abbrechen möchtest, so halte ihm einen Weg frei, damit er einen Rückweg zu dir hat, falls er eines Tages zu dir zurückkehren möchte.“[21]
- c) Mäßigung im Vertrauen anderen Menschen gegenüber
Obwohl das Vertrauen anderen Menschen gegenüber zu den beständigen Pfeilern der Gesellschaftserhaltung zählt und vom Islam und dem heiligen Koran befürwortet wird, steht ein übermäßiges Vertrauen anderen Menschen gegenüber, vor allem in lebensbewegenden und entscheidenden Aspekten, in Kontrast zu den rationalen und islamrechtlichen Werten. Der Islam rät in diesen Aspekten zu der Einhaltung von Vorsicht und Mäßigkeit. Imam Sadegh (a.) äußert folgendes: „Vertraue und verlasse dich nicht zu sehr, da dies nicht umkehrbar ist.“[22]
- d) Mäßigung in der Verteidigung
Zweifellos zählt die Selbstverteidigung im Rechtssystem zu selbstverständlichen und unwiderruflichen Grundsätzen. In den islamischen Überlieferungen wird die Bekämpfung des Individuums gegen einen Angreifer, der sein Leben und seinen Besitz bedroht, als heilig angesehen. Wenn dieses Individuum dabei sein Leben lässt, wird es als Märtyrer betrachtet. Gleichzeitig darf diese Selbstverteidigung den Rahmen jedoch nicht sprengen. Der heilige Koran offenbart folgendes: “ فمن اعتدی علیکم فاعتدوا علیه بمثل ما اعتدی علیکم “ „Wenn jemand gegen euch übergriffig wird, dann geht (auch ihr) in gleichem Maß gegen ihn vor, wie er gegen euch übergriffig geworden ist.“ (Al-Baqara | 2: 194)
In Bezug auf die individuelle Reaktion gegen missbräuchliches Verhalten besagen die islamischen Gebote zunächst Gnade und Vergebung und danach die Erlangung des eigenen Rechts und dies im Rahmen von Gerechtigkeit und Mäßigkeit. Radikalismus und Übertreibung in diesem Bereich sind nämlich nicht erlaubt. Diese Thematik wird in Bezug auf den Mörder seiner Exzellenz Imam Ali (a.) auch betont. Nach dem Schlag von Ibn Moljam äußerte Imam Ali (a.) auf dem Sterbebett folgendes: „Oh meine Kinder! Ihr dürft nach meinem Tod nicht im Blut der Muslime baden und sagen: „Ali (a.) wurde ermordet“ und mit dieser Ausrede Blut vergießen. Seid euch bewusst! Nur mein Mörder wird getötet. Wenn ich aufgrund des Schlages sterbe, dürft ihr meinen Tod nur mit einem einzigen Schlag vergelten. Und teilt seinen Körper nach seinem Tod nicht in mehrere Teile.“[23]
- e) Mäßigung im Umgang mit anderen Menschen
Beim Umgang mit anderen Menschen muss eine Person den Rahmen der Mäßigung, also Demut, einhalten und Übertreibungen und Untertreibungen in Form von Stolz oder Demütigung vermeiden. In einer Überlieferung von Imam Sadegh (a.) in Bezug auf den Rahmen der Mäßigung und Selbstbeherrschung im Umgang mit anderen Menschen steht folgendes: „Verhalte dich anderen Menschen gegenüber nicht schlecht und sei nicht aufbrausend ihnen gegenüber, weil die Menschen dich dann meiden und demütige dich nicht so sehr, dass jeder Mensch, der dich kennt, dich verachtet.“[24] Beim Umgang mit anderen Menschen sollte man neben dem Respekt und der Ehrfurcht anderen gegenüber darauf achten, dass dieser Respekt sich nicht in Demütigung und das Gefühl von Erniedrigung verwandelt.
Seine Exzellenz Imam Ali (a.) äußert folgendes: „Eines Tages kam der Gesandte Gottes (s.) zu einer Gruppe seiner Gefährten. Seine Gefährten riefen ihn mit Offenheit und übermäßigem Respekt als ihren Anführer und Herrn an. Seine Exzellenz wurde sehr zornig und sagte folgendes: „Ihr dürft nicht so sprechen und mich als euren Anführer und Herrn anrufen. Ihr sollt mich als euren Propheten und Gesandten Gottes sehen. Ihr müsst in euren Reden gerecht und wahrhaftig sein und nicht zu Übertreibung und Schmeichelei neigen, weil ihr so in Fehlern und Fehlleitung versinkt.““[25]
- f) Mäßigung bei Lobreden und Bewunderung anderer Menschen
Wenn die Bewunderung und Belobigung anderer Menschen den Rahmen der Mäßigkeit sprengt, wird sie zu Schmeichelei und entfernt sich vom Weg der Wahrhaftigkeit. Ebenso verwandelt sich die Selbstbeherrschung bei der Bewunderung anderer Menschen, welche ihre Quelle in der Schüchternheit oder Neid hat, in Kaltherzigkeit und mangelnder Produktivität bei Menschen. Seine Exzellenz, Imam Ali (a.), äußert folgendes: “ الثّناءُ بأکثرِ من الاستحقاق ملق و التقصیرُ عن الاستحقاق یمیُّ او حسد “ „Eine übermäßige Bewunderung und Belobigung ist Schmeichelei und die Herabwürdigung einer verdienten Tatsache rührt entweder aus Schwäche oder erfolgt aus Neid.“[26]
Die Quelle der Übertreibung und Untertreibung
Zum Schluss sollte erwähnt werden, dass die Unfähigkeit des Verstandes der Hauptauslöser für Übertreibung und Untertreibung ist. Diejenigen Personen, welche zu Übertreibung und Untertreibung neigen, leiden im Allgemeinen an einem Mangel an Ausgeglichenheit und Selbstbeherrschung. Wenn sie sich in diesem Zustand an ihr Gewissen und ihren Verstand wenden können, bemerken sie, dass sie einem mangelnden Gleichgewicht verfallen, sobald sie eine Schwäche des Verstandes feststellen und dadurch zu Übertreibung und Untertreibung neigen.
Imam Ali (a.) äußert folgendes: „Ein rationaler Mensch ist derjenige, der jede Tat zur bestimmten Zeit und auch an dem dazu bestimmten Ort ausführt und der Unwissende Mensch ist derjenige, der genau gegenteilig handelt.“[27] An einer anderen Stelle wird die Unwissenheit des Menschen als Faktor für Übertreibung und Untertreibung vorgestellt. Imam Ali (a.) sagt folgendes: „لایری الجاهل الا مفرطا او مفرّطا“.[28]
[1] “ المومن سیرته القصد و سنته الرشد „Rey Shahri: Mizan Alhekma. Bd. 10. S. 489.
[2] “ من اقتصد اغناه الله “ Rey Shahri: Mizan Alhekma. Bd. 10. S. 489.
[3] “ و نحن امة الوسط “ Sireh Nabavi. Bd. 1. S. 174.
[4] Nahdsch-ul-Balagha. Maxime. 67.
[5] Kanz Al Ommal. Bd. 3. S. 28.
[6] Sireh Nabavi. Bd. 1. S. 171f ; Nahdsch Albalagheh. Predigt 70.
[7] Ghorar Alhekam. S. 61.
[8] Ghorar Alhekam. Bd. 2. S. 159.
[9] Nahdsch-ul-Balagha. Predigt 349.
[10] Bahar Alanvar. Bd. 59. S. 310.
[11] Bahal Alanvar. Bd. 14. S. 420.
[12] Osool Kafi. Bd. 2. S. 315.
[13] Vasael Alshie. Bd. 12. S. 49.
[14] Vasael Alshie. Bd. 11. S. 286.
[15] Makarem Akhlagh. Bd. 3. S. 515.
[16] Vasayel Alshie. Bd. 14. S. 6.
[17] Ghorar Alhekam. Bd. 5. S. 327.
[18] Safinah Albahar. Bd. 2. S. 431.
[19] Ghorar Alhekam. Vorwort. Wort 9165.
[20] Nahdsch Alfasahah. S. 14.
[21] Nahdsch-ul-Balagha. Brief 31.
[22] Bihar-ul-Anwar. Bd. 71. S. 174.
[23] Nahdsch-ul-Balagha. Brief 47.
[24] Bahar Alanvar. Bd. 75. S. 283.
[25] Ja’fariat. S. 184.
[26] Nahdsch-ul-Balagha. Maxime.
[27] Mizan Alhekma. Bd. 6. S. 417.
[28] Nahdsch-ul-Balagha. Predigt 70.