Die Quiddität und Stellung der religiösen Lebensart aus der Sicht von Großayatollah Imam Khamenei

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„Die Lebensart“ gehört zu den Begriffen, welche unterschiedliche und manchmal gegensätzliche und widersprüchliche Sichtweisen und Definitionen besitzen. In den unterschiedlichen Sprachen wird die Struktur der Lebensart auf unterschiedliche Art und Weise wiedergegeben. In der englischen Sprache werden beispielsweise die beiden Begriffe „Style of Life“ und „Lifestyle“ verwendet. Die Lebensart steht für die „Verhaltensmethode im individuellen und gesellschaftlichen Leben“. Mit anderen Worten besteht die Lebensart aus einer geordneten und miteinander verknüpften Sammlung des Verhaltens der Menschen in ihrem individuellen und gesellschaftlichen Leben, welche aus einer Reihe von Ansichten sowie Werten und Normen rührt.

Aus dieser Aussage geht hervor, dass die Lebensart Aspekte umfasst, welche mit dem Leben des Menschen in Beziehung stehen. Zu diesen Aspekten gehören unter anderem individuelle und gesellschaftliche, sowie materielle und spirituelle Dimensionen, die Ansichten (Glaubensansichten) und Orientierungen (Werte, Normen und Vorlieben, das heißt moralische Systeme) umfassen. Im Bereich des Verhaltens umfasst die Lebensart auch unterschiedliche politische, wirtschaftliche, kulturelle, juristische, glaubensbezogene und erziehungsbezogene Dimensionen.  Aus diesem Grund rührt die Lebensart aus Verhaltenszügen her, welche ihre Wurzeln in den Glaubensansichten und Orientierungen der Menschen haben.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die „Lebensart“ von den moralischen Vorbildern innerhalb der Gesellschaft in den unterschiedlichen Domänen des Lebens, unter anderem politische, wirtschaftliche und kulturelle Dimensionen, welche aus bestimmten Ansichten und Orientierungen entstehen, gebildet wird. Aus diesem Grund besteht das Ziel der „religiösen und islamischen Lebensart“ in den moralischen Vorbildern der religiösen Menschen und der Muslime in den unterschiedlichen Lebensbereichen, welche aus islamisch-religiösen Ansichten und Weltbildern herbeigeführt werden und auch auf islamischen Werten und Normen basieren.

Auch aus der Sicht von Großayatollah Imam Khamenei „besteht die Lebensart aus der Art des Lebens und des gesellschaftlichen Verhaltens, wie beispielsweise der Lebensmethode innerhalb der Familie, der Art der Eheschließung, der Art der Unterkunft, der Art der Kleidung, des Verbrauchsmusters, der Art der Nahrung, aus der Art des Kochens, Freizeitbeschäftigungen, aus den Aspekten der Schrift, der Sprache, des Wirtschaftens und der Geschäfte, aus unserem Verhalten an unserem Arbeitsplatz, unserem Verhalten in der Universität, unserem Verhalten in der Schule, unserem Verhalten bei politischen Aktivitäten, unserem Verhalten beim Sport, unserem Verhalten in uns zur Verfügung gestellten Medien, unserem Verhalten zu unseren Eltern, unserem Verhalten zu unserem Ehepartner, unserem Verhalten zu unserem Kind, unserem Verhalten zu unserem Vorgesetzten, unserem Verhalten zu Menschen, die uns untergeordnet sind, unserem Verhalten zu Gesetzeshütern und Polizisten, unserem Verhalten zu öffentlichen Angestellten, unserem Reisen, unserer Hygiene und Reinheit, unserem Verhalten zu unseren Freunden, unserem Verhalten zu unseren Feinden, unserem Verhalten Fremden gegenüber und ähnlichen Dingen.“[1]

Die Quelle und das Ziel der Lebensart

Zu den bedeutenden Aspekten, welche man bei der Bildung einer Wissenschaft oder wissenschaftlichen Ideologie beachten sollte, gehören die Quellen der Ansichten und die Hauptziele der Ideologie. Aus der Sicht von Großayatollah Imam Khamenei orientiert sich die Lebensart an der Lebensauffassung und Interpretation sowie der menschlichen Ansicht vom Leben und führt das Ziel, welches der Mensch in seinem Leben verfolgt, zu einem Lebensweg, welches sich diesem Ziel anpasst: „Unser Lebensweg richtet sich nach unserer Interpretation des Lebens. Worin liegt das Ziel des Lebens? Jedes Ziel, welches wir uns für unser Leben setzen und uns selbst entwerfen, offenbart uns auf natürliche Art und Weise eine Lebensart, welche auf sie abgestimmt ist.“[2]

Außerdem zählt er den Glauben an das Lebensziel zu einem Hauptaspekt und ist der Meinung, dass die Wahl der Lebensart auf dem Glauben an das Lebensziel basiert: „Es existiert noch ein Hauptaspekt und dieser ist der Glaube. Wir müssen uns ein Ziel ausmalen – ein Lebensziel – an das wir glauben können. Ohne den Glauben ist eine Entwicklung in diesen Bereichen unmöglich; eine richtige Tat kommt nicht zur Umsetzung. Nun kann aber das, woran wir glauben, im Liberalismus liegen, es kann im Kapitalismus liegen, es kann im Kommunismus liegen, es kann im Faschismus liegen, es kann aber auch in einer guten Einheit liegen.

Letztendlich muss man etwas glauben und daran festhalten und sich in Richtung dieses Glaubens und dieser Vorstellung bewegen und entwickeln. Der Aspekt des Glaubens ist ein sehr bedeutender Aspekt. Der Glaube an ein Prinzip, der Glaube an einen Hauptanker der Glaubensvorstellung; ein solcher Glaube sollte und muss bestehen. Auf Grundlage und basierend auf diesem Glauben wird die Lebensart gewählt.“[3]

Mit diesem grundlegenden und hauptsächlichen Ansatz werden die Ansichten zahlreicher Personen, welche davon überzeugt sind, dass eine von der Religion und Tradition distanzierte Lebensart uns zu religiösen Zielen führen kann, da sie auf rationalen Grundlagen und Quellen aufbaut, ernsthaft widerlegt und herausgefordert und auch in den Schatten gestellt.

Die Notwendigkeit einer islamischen Lebensart

Nach der Bildung einer kulturellen und gesellschaftlichen Grundlage unter Beachtung der Wurzeln der Lebensart widmete sich Großayatollah Imam Khamenei der Diskussion über die Art und die Ansätze eines islamischen Lebens. Die Notwendigkeit und das Ende des Diskussionsentwurfes war aus seiner Sicht deutlich und offensichtlich und der Schritt in Richtung der Bildung einer religiösen islamischen Kultur ist seiner Meinung nach sehr klar damit verflochten: „Eine der bedeutendsten Dimensionen der Entwicklung und des Fortschritts mit einer islamischen Deutung liegt in der Lebensart, in der Lebensmethode und im gesellschaftlichen Verhalten.“[4]

Zur Verdeutlichung und Unterstreichung der Bedeutung der Lebensart beachtet Großayatollah Imam Khamenei die letztendlichen und endgültigen Ziele des Menschen im diesseitigen Leben. Daher sollte zur Erlangung der Erlösung sogar die gesellschaftliche und individuelle Lebensart der Menschen organisiert, beachtet und angeordnet werden: „Wenn man das Ganze aus der Sicht der Spiritualität betrachtet – wobei das Ziel des Menschen in der Erlösung und Befreiung und der Glückseligkeit liegt – sollte man der Lebensart Beachtung schenken.“[5]

Die Bildung einer religiösen Lebensart könnte auch für Personen bedeutsam sein, welche weniger an die jenseitige Erlösung und auch islamische Zivilisation glauben, da sie die Diskussion über die diesseitige Behaglichkeit und Ruhe im Leben betrifft: „Auch wenn wir nicht an die Spiritualität und die spirituelle Erlösung glauben, sollten wir der Lebensart Beachtung schenken, um ein behagliches Leben zu erlangen, welches von geistiger, psychischer und moralischer Sicherheit erfüllt ist. Also ist dieser Aspekt ein bedeutender und zentraler Aspekt.“[6]

Eine der bedeutendsten Fragen, mit denen der Islam heutzutage sowohl von Freunden als auch von Feinden konfrontiert wird, liegt darin, „wie man die Lehren des Islam in der Praxis wieder findet“. Mit der Parole der „Überlegenheit der Religion in der Praxis“ sollte der Islam imstande sein, in allen Bereichen des menschlichen Lebens Vorbilder in Bezug auf ein religiöses Verhalten nach dieser Parole vorzubringen. In diesem Zusammenhang äußert Großayatollah Imam Khamenei folgendes:

„Einer der bedeutendsten Aspekte, welcher heutzutage mit den meisten feindlichen Bemühungen konfrontiert wird, ist der, dass die islamische Ordnung beschuldigt wird, sich in der Theorie und der Praxis zu unterscheiden und nicht durchsetzbar zu sein. Auf wirtschaftlicher, politischer, kultureller und glaubensbezogener Grundlage werden seitens arroganter und feindlicher Zentren viele Bemühungen umgesetzt, um den Islam im Denken der Menschen aus muslimischen Ländern als schwach und unfähig darzustellen, damit der Islam seinen Glanz und seine Anziehung in diesen Ländern verliert.“[7]

Ein weiterer bedeutender Faktor und Grund, welcher die Beschäftigung mit der islamischen Lebensart erforderlich macht, ist das Scheitern der materiellen Zivilisation und die Enttäuschung der Menschheit aufgrund der dadurch entstandenen Lebensart und schließlich die allgemeine Orientierung der Menschen und vor allem Jugendlichen in Richtung der Spiritualität. In diesem Zusammenhang äußert Großayatollah Imam Khamenei folgendes:

„Nach dem Scheitern und des Zerfalls des östlichen Poles der materiellen Zivilisation behauptete der Westen, mit seiner Macht basierend auf seinen persönlichen Quellen und Zielen, moralische Vorbilder zu präsentieren und nach den liberalistischen, humanistischen und säkularen Organisations- und Lebensmethoden den Menschen in allen Dimensionen ihres Lebens die Glückseligkeit, das Wohlergehen und die Freude bieten und sichern zu können. Es hat aber nicht lange gedauert, bis diese fadenscheinige Zivilisation der menschlichen Bevölkerung nicht nur keinesfalls zur Glückseligkeit, zum Wohlergehen und zur Weisheit verhelfen konnte, sondern dass sie sogar zur Quelle der Probleme und zahlreicher Konflikte und Schwierigkeiten in unterschiedlichen geistigen, psychischen und verhaltensbezogenen Dimensionen innerhalb der westlichen und östlichen Gesellschaften wurde und sich sogar in die entgegengesetzte Richtung bewegte.“[8]

An einer anderen Stelle verwies er auf den Aspekt, dass die westliche Zivilisation auf der nichtbeachtung akkurater Spiritualität aufbaut und äußerte in diesem Zusammenhang folgendes: „Die westliche Zivilisation basiert auf den Kampf gegen die wahrhaftige Spiritualität. (…) Je weiter sich diese materielle und von der Spiritualität distanzierte Zivilisation entwickelt und fortbewegt, umso mehr Fehlleitung entsteht. Mit ihren giftigen Früchten verbittert sie sich selbst und auch die gesamte Menschheit. (…) Das Phänomen des Kolonialismus ist ein Phänomen, welches als Folge der Differenzierung und Trennung der Wissenschaft von der Spiritualität, der Trennung der Politik von der Spiritualität und der Trennung des Staates von der Moral entsteht. (…)“

„Der Zerfall und das Scheitern der Familie, Unzucht und der Ausbruch extremen Kapitalismus zählen allesamt zu den Folgen dieser Differenzierung und Trennung. Die unterdrückenden Mächte der Welt traten vor allem in den vergangenen 100 Jahren durch die Eliminierung der Spiritualität die erhabenen und wertvollen menschlichen Werte mit Füßen und infolge dessen erweiterten und verbreiteten sich moralische Korruptionen und Fehlleitung, Drogenabhängigkeit, Unzucht und der Zerfall von Familienfundamenten; außerdem nahm die Ausbeutung zu und die Kluft zwischen armen und reichen Völkern dehnte sich aus und die Menschheit distanzierte sich täglich mehr von der gesellschaftlichen Gerechtigkeit und der Weisheit des Menschen wurde immer weniger Beachtung geschenkt.“[9]

Das endgültige und bedeutendste sowie zentrale Ziel der Widmung einer islamischen Lebensart liegt in der Gründung einer islamischen Zivilisation. Großayatollah Imam Khamenei widmet sich als religiöser Theologe dieser Thematik: „Zweifellos liegt das Schicksal darin, dass die islamische Zivilisation sich ein weiteres Mal auf einem großen Teil dieser Welt verbreitet und die Linie, welche seitens des islamischen Systems entworfen wird, führt schließlich zur Erlangung der islamischen Zivilisation.“[10]

An einer anderen Stelle äußert Großayatollah Imam Khamenei folgendes: „Inzwischen kann man sagen, dass die Phase der Befolgung westlicher Vorgaben in islamischen Ländern sich ihrem Ende neigt. (…) Heutzutage kämpfen Milliarden Menschen weltweit mit der schweren Last der Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Dieser Widerstand gegen die Unterdrückung und Ungerechtigkeit ist jedoch eine sehr wichtige, fundamentale und bedeutende Tat! Es existiert jedoch ein praktischer Weg; dieser Weg ist umsetzbar und wir sind diesen Weg auch bis zum heutigen Tage gegangen. Mit Hilfe Gottes werden wir diesen Weg auch bis zum letzten Augenblick und bis zur letzten Etappe sowie voller Erfolg gehen und wir werden den Völkern und den Unterdrückten und denjenigen, die nach der Wahrheit suchen, den Weg und das Ziel aufzeigen.“[11]

Großayatollah Imam Khamenei erachtet die Lebensart als einen der beiden Hauptpfeiler der islamischen Zivilisation, also als die weiche Dimension der islamischen Zivilisation. Nach der Erläuterung und Erklärung der islamischen Zivilisation und ihrer Notwendigkeit zeigte er die Verbindung zwischen der Gründung dieser Zivilisation und der Lebensart auf: „Diese neue Zivilisation besteht aus zwei Bereichen: Ein Bereich ist der Werkzeugbereich; und ein weiterer Bereich ist der Textbereich und bildet den Haupt- und Zentralbereich. Beiden Bereichen muss Beachtung und Aufmerksamkeit geschenkt werden. (…) Der wahre Bereich und Teil besteht aus denjenigen Dingen, welche den Inhalt unseres Lebens ausmachen; mit anderen Worten ist das die Lebensart. (…) Dies ist der wahre und zentrale Bereich der Zivilisation.“[12]

Wenn wir also bei der Erläuterung und Definition von Verhaltensvorbildern der Muslime in unterschiedlichen Lebensbereichen basierend auf religiösen und islamischen Weltanschauungen, Normen, Werten und Orientierungen Erfolge erzielen, so erlangen wir eigentlich die islamischen Systeme in unterschiedlichen Domänen, unter anderem wirtschaftlichen und politischen Domänen. Andererseits erlangt man durch die Sammlung der Verknüpfung aller islamischer gesellschaftlicher Systeme die islamische Zivilisation.

Vielleicht kann man den Beleg und Beweis für diese Zivilisation und Lebensart auch auf eine andere Art und Weise erlangen. Mit anderen Worten liegt das Ziel einer religiösen und islamischen Lebensart generell in der Bildung vorbildlicher und tadelloser Menschen und Gesellschaften. Andererseits bildet ein gebildeter und erzogener Mensch eines der beiden Hauptelemente der Zivilisation: Für die Errichtung und Bildung einer islamischen Zivilisation bedarf es wie für die jeder anderen Zivilisation zweier Elemente: Ein Element besteht aus der Erzeugung von Ansichten und Ideologien und das andere Element besteht aus der Entwicklung und Fortpflanzung der Menschen. Da aus dieser Sichtweise das Ziel des Entwurfes einer islamischen Lebenswart in der Entwicklung der tadellosen und vorbildlichen Menschen und Gesellschaften liegt, kann man in diesem Zusammenhang eine tiefgründige Beziehung und Verbindung zwischen der Zivilisation und der Lebensart aufbauen.

Die Grundlagen der islamischen Lebensart

Aus der Sicht von Großayatollah Imam Khamenei basiert die Thematik der Lebensart auf bestimmten Grundlagen und Prinzipien, ohne deren Erkenntnis man die akkurate Facette seiner Ansichten nicht erlangen kann und die Tiefe seiner Ansichten in Bezug auf die islamische Lebensart nicht erkennen kann. Obwohl man sich aller Grundlagen, wie beispielsweise der Teleologie, der Erkenntnistheorie, der Ontologie, der Anthropologie und der Religionswissenschaft widmen sollte, werden im Folgenden unter Beachtung der Klarheit von Diskussionen in Bezug auf die Teleologie, die Erkenntnistheorie und die Anthropologie nur einige Diskussionen in Bezug auf die Religionswissenschaft angesprochen und untersucht, um den Rahmen dieses Artikels nicht zu sprengen.

Die bedeutendste Grundlage unter den Grundlagen in Bezug auf die islamische Lebensart bildet die Diskussion der Religionswissenschaft und die Erläuterung der Verbindung und Beziehung zwischen Religion und der Lebensart. Die Erlangung des islamischen Systems und seine Leitung und Verwaltung erfolgt auf Grundlage einer bestimmten Ansichtsweise gegenüber der islamischen Religion. Die Verarbeitung gesellschaftlicher Thematiken muss auf Grundlage genau dieser religiösen Ansichten erfolgen.

Nach Großayatollah Imam Khamenei liegt eine der Besonderheiten der islamischen Religion in ihrer Universalität und der Tatsache, dass sie die letzte vom allmächtigen Gott offenbarte Religion darstellt. Der Islam stellt eine Religion für jedermann dar bis ans Ende der Zeit. Sie besitzt also eine Leitungskapazität für alle Menschen und Gesellschaften auf hoher Ebene dar, welche die Vorstellungskraft des vollkommensten Menschen übertrifft: „Der heilige Koran lädt den Menschen zum besten Weg, zur besten Arbeit und Tat, zum besten System, zur besten Methode, zur besten Moral, zum besten  Verhalten und zu den besten individuellen und gesellschaftlichen Verhaltensmethoden ein. Heutzutage sind alle Menschen auf den heiligen Koran angewiesen.

Wenn wir Muslime uns aber nicht an den heiligen Koran halten und nicht danach handeln, so erleiden wir mehr Verluste als die anderen Menschen. Wir besitzen nämlich dieses Werk, wir besitzen die Anleitung und wir besitzen die historische Erfahrung. Als segensreiche Belohnung für die Befolgung der Gebote und Verbote des  heiligen Koran erlangt die Menschheit zunächst den Gipfel der Wissenschaft, der Moral, des Verhaltens und unterschiedlicher materieller und spiritueller Entwicklung und Fortschritte. Der heilige Koran ist immer lebendig. Der heilige Koran schenkt den menschlichen Bedürfnissen Beachtung. Der heilige Koran kann zu jeder Zeitepoche die beste Anleitung zur Erlangung der Glückseligkeit für die Menschen darstellen.“[13]

Die Stillung aller möglichen Bedürfnisse des Menschen, zu denen auch Vorbilder für das Verhalten in unterschiedlichen Bereichen des Lebens gehören, die Strukturierung kultureller und spiritueller Angelegenheiten sowie gesellschaftliche und lebensunterhaltsbezogene Aspekte, wie beispielsweise die Anpassung politischer und wirtschaftlicher Beziehungen, gehört  zur Entwicklung und zum Fortschritts der Menschheit und bildet eine Grundlage für ihre Ehrfurcht und vollkommene Ergebenheit dem allmächtigen Gott gegenüber.

Aus Sicht von Großayatollah Imam Khamenei besteht die Religion nicht nur aus Geboten und der individuellen Beziehung des Menschen zum allmächtigen Gott, sondern sie bildet die Pfeiler des individuellen und gesellschaftlichen Lebens der Menschheit und dessen Konstrukt und präsentiert die erforderlichen Verhaltensvorbilder des menschlichen Lebens. Aus seiner Sicht besitzt die Religion in Bezug auf ihre Funktion als Leitung eine maximale Reichweite. Die Religion stellt für den Menschen demnach einen Verwalter in allen individuellen, persönlichen und gesellschaftlichen Bereichen, sowie allen  materiellen und spirituellen Bedürfnisse dar.

Die Religion des Islam besteht aus einem System, welches die Durchführung und Umsetzung der Gerechtigkeit in allen gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bereichen wünscht und die Umsetzung göttlicher Gesetze und Gebote für die Lenkung und Leitung der Gesellschaft in Richtung auf das göttliche Herz, die moralischen Tugenden, den Glaubens und das Verhaltens aller Mitglieder der Gesellschaft und die Mäßigkeit sowie den Fortschritt aller Gruppen innerhalb der Gesellschaft fordert und fördert. Mit anderen Worten stellt die Religion des Islam eine vollkommene Religion dar, welche keinerlei Ungewissheit zulässt und besitzt und welche ein allgemeines, vollkommenes und vielseitiges Konzept für alle Bereiche des menschlichen Lebens offenbart und präsentiert:

„Die theoretischen Aspekte des Islam sollten als zusammenhängende Elemente und Teilbereiche einer Einheit untersucht und reflektiert werden und jeder einzelne Bereich sollte als ein Teil der gesamten Sammlung der Religion und als ein Element dieser Verbindung und als ein Pfeiler dieses standhaften Konstrukts und mit den anderen Teilen und Bereichen und Elementen abgestimmt und in Beziehung gesetzt werden – und nicht getrennt und verbindungslos mit den anderen Teilen – betrachtet und untersucht werden, damit schließlich als Ergebnis eine Erkenntnis über diese Prinzipien, dieses allgemeine und vielseitige Konzept der Religion als eine vollkommene Ideologie frei von Ungewissheit und im Besitz geeigneter Dimensionen für das facettenreiche Leben des Menschen hergeleitet werden kann.“[14]

Nicht nur, dass der Islam die gesellschaftliche Existenz und das gesellschaftliche Leben nicht ignoriert, ist es prinzipiell allein im Rahmen der islamischen Religion und im Schatten dieser Religion möglich, ein gesellschaftliches System, welches auf Gerechtigkeit basiert, innerhalb der Gesellschaft zu erweitern, zu entwickeln und zu vervollständigen. Aus der Sicht von Großayatollah Imam Khamenei wird dieses bedeutende Prinzip dann verdeutlicht, wenn der Mensch sich dessen bewusst ist, dass die Religion des Islam die Pfeiler eines gesellschaftlichen Systems und Konstrukts sehr klar und deutlich definiert und erläutert:

„Unter allen großen Religionen dieser Welt behauptet die islamische Religion, dass sie die Gesellschaft auf eine facettenreiche und vielseitige Art und Weise aufbauen kann. Das heutige Christentum und die anderen Religionen stellen diese Behauptung nicht auf; der Islam jedoch behauptet, die Konstruktionspfeiler eines gesellschaftlichen Systems zu besitzen und diese Pfeiler und Grundlagen aufzubauen und auf Grundlage und Basis dieser Pfeiler ein gesellschaftliches System und eine gesunde und fortschrittliche und entwickelte Gesellschaft aufzubauen und den Menschen bieten zu können.“[15]

Auf Grundlage einer sehr hohen und maximal ausgeprägten Anschauungsweise besteht das Feld des Jenseits dieser Welt und das Beschreiten des diesseitigen Lebens zur Erlangung der jenseitigen Glückseligkeit innerhalb des religiösen Wissenssystems. Mit anderen Worten ist der Fortschritt des Lebens eines Menschen unendlich und das Diesseits und Jenseits bilden zwei miteinander verbundene Etappen im Leben eines jeden Menschen. Aus diesem Grund ist eine Ansichtsweise, welche eine Trennung der Welt und die Differenzierung der jenseitigen Glückseligkeit von der diesseitigen Glückseligkeit vorsieht, eine ungültige Ansichtsweise; wenn man sich nämlich den Aspekten, Thematiken und Problem des diesseitigen Lebens widmet, wird der Mensch nämlich nicht vom Jenseits distanziert oder andersherum; der Islam betrachtet alle spirituellen und materiellen Bedürfnisse der Menschen als eine Sammlung zusammenhängender Elemente und offenbart für all diese Bedürfnisse bestimmte Ziele und Programme:

„Die Mission und Prophetie des edelmütigen Propheten des Islam lag zunächst darin, die Menschen zu einer Einheit und zum Monotheismus einzuladen. Die Einheit und der Monotheismus bildet nicht nur eine philosophische und theologische Ansichtsweise und Ideologie, sondern stellt eine Lebensmethode für alle Menschen dar. Der Monotheismus stellt den allmächtigen Gott nämlich als Leitungsinstanz für das menschliche Leben dar und bewahrt das Leben der Menschheit vor dem Eindringen unterschiedlicher Mächte.“

„La Ilaha Ill Allah“ („Es gibt keinen Gott außer Allah“) bildet die zentrale und Hauptbotschaft des edelmütigen Propheten (s.) und aller anderen Propheten Gottes (a.) und bedeutet, dass sich monarchische und teuflische Mächte keinesfalls in das Leben der Menschen und in ihre Wahl der Lebensmethode einmischen dürfen, und sie auch keinesfalls ihre lustorientierten und profitorientierten Gebote im Leben der Menschen durchsetzen dürfen. Wenn der Monotheismus auf diese Art und Weise und unter dieser wahren Bedeutung, wie sie der Islam interpretiert hat und auch alle anderen Propheten des allmächtigen Gottes (a.) sie offenbart und überbracht haben, im Leben der muslimischen Gesellschaft und allen anderen menschlichen Gesellschaften umgesetzt wird, erlangt die Menschheit die wahrhaftige Glückseligkeit und die diesseitige sowie jenseitige Erlösung und ein Paradies auf Erden; die Welt widmete sich dann der Vervollkommnung und der wahrhaftigen Erlösung der Menschen.“

„Aus der Sicht des Islam bilden die Welt und das Diesseits die Pforte und den Übergang zum Jenseits. Der Islam bestreitet keinesfalls die Wirklichkeit der Welt und das Diesseits. Sie verachtet die diesseitige Erfüllung auch keinesfalls; der Islam fordert den Menschen auf, stets mit all seinen Talenten und Bedürfnissen im Leben aktiv zu sein. All diese Dinge und all diese Taten und Vorgänge sollten jedoch den allmächtigen Gott, die geistige Ruhe und die spirituelle Erlösung des Menschen als Ziel vor Augen haben, damit das Leben auch im Diesseits erfüllt und angenehm bleibt. In einer solchen Welt existiert keine Unterdrückung oder Ignoranz oder Spannungen und Konflikte; ihre Umsetzung stellt auch keinesfalls eine einfache Aufgabe dar und dazu bedarf es großer Anstrengungen und Bemühungen und der edelmütige Prophet des Islam hat bereits ab dem ersten Tag seiner Offenbarung mit diesem Dschihad begonnen.“[16]

Die systemorientierte Ansichtsweise des Islam bei der Konzeption eines Programms zur Glückseligkeit der Menschheit stellt eine weitere Besonderheit und Eigenschaft dieser Religion dar. Die islamische Religion offenbart eine andere Interpretation von der Erweiterung und Vervollkommnung der Gesellschaft. In der islamischen Gesellschaft werden alle individuellen und gesellschaftlichen Domänen und Bereiche auf Grundlage des Monotheismus konzipiert und alle Mitglieder dieser Gesellschaft erlangen und bilden durch die zentrale Rolle des Monotheismus eine Einheit:

„Diese monotheistischen Grundlage und der Glaube an die Einigkeit des allmächtigen Gottes übt in allen Bereichen und Domänen des individuellen und gesellschaftlichen Lebens der islamischen Gesellschaft einen Einfluss aus und führt dazu, dass die Gesellschaft zu einer in sich stimmigen und miteinander verknüpften und verbundenen Gesellschaft im Besitz einer Einheit wird; eine Gesellschaft mit einer Einheit in Bezug auf ihre Richtung, ihre Bewegung, ihre Orientierung und ihre Ziele.“[17]

Allein auf dieser Grundlage kann ein umfassendes System, welches auf den Lehren der Religion basiert, konzipiert werden und alle individuellen und gesellschaftlichen Dimensionen des Lebens unter allen Voraussetzungen verwalten. Aus diesem Grund besitzt der Islam im Gegensatz zu den materiellen Systemen, welche behaupten, alle Dimensionen des menschlichen Lebens zu verwalten, selbst ein umfassendes und vollkommenes Konzept. Dieses umfassende System muss seitens der Religion belegt werden und erfordert die Bildung einer regierenden Theologie; der Beleg und das Herleiten dieses Systems gehört zu den zentralen Verpflichtungen theologischer Einrichtungen und der Hawzas. Auch die Universitäten spielen in diesem Zusammenhang eine bedeutende und herausragende Rolle.

Die Notwendigkeit der Vermeidung von Imitation und Nachahmung bei der Bildung islamischer Lebensart

Im Rahmen der Bildung einer islamischen Lebensart sollte dem Aspekt Beachtung geschenkt werden, dass die religiösen Normen, Werte und Zweige bei der Konzeption von regierungsbezogenen und gesellschaftlichen Systemen eine gravierende Rolle spielen und mit einbezogen werden sollten; wenn man sich nämlich nur nach aktuellen Vorbildern richtet und sich dementsprechend bewegt, distanziert sich das System von seiner islamischen Identität und man erzielt als Folge allein die Zerrüttung dieses Systems: „Wenn wir diesen Fehler begangen hätten oder begingen, in Angelegenheiten der Regierung und Verwaltung unserer Gesellschaft die islamischen Normen und Werte zu ignorieren und uns in Richtung der aktuellen und vorherrschenden Formen dieser Welt bewegten, so verlöre die islamische Gesellschaft ihre Bedeutung und diese Thematik spielte eine zentrale und gravierende Rolle.“[18]

Großayatollah Imam Khamenei erachtet die Nachahmung des Westens in diesem Zusammenhang als großen Verlust und große Katastrophe und äußert folgendes: „Zur Errichtung und Bildung dieses Teils der neuen islamischen Zivilisation [einer islamischen Lebensart], sollte man Nachahmungen und Imitationen strengstens vermeiden; Imitationen von denjenigen Personen, welche versuchen anderen Völkern ihre persönlichen Lebensmethoden und Lebensarten und Verhalten aufzubürden. Das vollkommene und einzige Sinnbild dieser Aufbürdung und Unterdrückung der heutigen Zeit bildet die westliche Zivilisation.“

Es sollte klar sein, dass es sich hierbei nicht um eine Feindschaft gegen den Westen handelt – diese Aussage basiert auf Untersuchungen und Belegen und stellt keine sentimentale oder emotionale Feindschaft dar. Sobald der Name des Westens oder Begriffe wie beispielsweise die westliche Zivilisation oder westliche Methoden oder westliche Intrigen oder Feindschaft des Westens fallen und erwähnt werden, nehmen einige Menschen an, es handle sich hierbei um Feindschaft gegen den Westen. Man unterstellt uns, wir würden einen Kampf gegen den Westen führen. Nein, wir haben mit dem Westen keine tiefgründige Feindschaft – ein gewisser Kampf besteht aber schon! – Jedoch zetteln wir keine Feindschaft an. Diese Aussage folgt einer langen Überlegung.

Die Nachahmung des Westens hat in Ländern, welche diese Imitation als richtig erachtet haben und sich danach gerichtet haben, nur zu Verlusten und Katastrophen geführt; sogar in denjenigen Ländern, welche nach außen hin eine gewisse Industrie und bestimmte Erfindungen sowie ein gewisses Maß an Reichtum erlangt haben, aber Opfer der Nachahmung waren. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Kultur des Westens eine aggressive und offensive Kultur darstellt. Die westliche Kultur ist eine kulturzerstörende Kultur. In jedem Ort, an dem sich der Westen Zutritt gewährt hat, wurde die Kultur der Ureinwohner zerstört und die zentralen Pfeiler der Gesellschaft in diesen Ländern wurden zerrüttet. Der Westen hat in der Geschichte, soweit es möglich war, die Geschichte der Völker verändert, die Sprache dieser Völker verändert und die Schrift dieser Völker verändert. Beispielsweise haben die Briten an jedem Ort, den sie betraten, die Sprache der Einheimischen in die englische Sprache verwandelt. Falls es eine konkurrierende Sprache gab, so haben sie diese vernichtet.“[19]

[1] Die Reden des Imam Khamenei bei der Sitzung mit den Jugendlichen und jungen Menschen aus der Region Khorasan am 14. Oktober 2012.
[2] Imam Khamenei, ebd.
[3] Imam Khamenei, ebd.
[4] Imam Khamenei, ebd.
[5] Imam Khamenei, ebd.
[6] Imam Khamenei, ebd.
[7] Die Nachricht des Imam Khamenei an iranische Studenten in Europa am 10. September 2001.
[8] Die Reden des Imam Khamenei bei der Sitzung mit den Bewohnern Qoms am 9. Januar 1990.
[9] Die Reden des Imam Khamenei am 28. Dezember 1991.
[10] Die Reden des Imam Khamenei im Rahmen einer Sitzung mit Professoren, Dozenten und Studenten der Hawza in Qom am 5. Oktober 2000.
[11] Die Reden des Imam Khamenei am 1. März 1990.
[12] Die Reden des Imam Khamenei bei der Sitzung mit den Jugendlichen und jungen Menschen aus der Region Khorasan am 14. Oktober 2012.
[13] Die Reden des Imam Khamenei in der Abschlusszeremonie der 15. Koranwettbewerbsrunde am 22. November 1998.
[14] Imam Khamenei: Das allgemeine Konzept der islamischen Ideologie im heiligen Koran. Islamisches Kulturbüro S. 2 (2011).
[15] Die Reden des Imam Khamenei im Rahmen einer Sitzung mit Ärztinnen  aus vielen unterschiedlichen Bereichen des  Iran am 16. Januar 1990.
[16] Die Rede des Imam Khamenei in einer Sitzung mit den Regierungsverantwortlichen und -vertretern am Eid-ul-Mabas (Feier zur Offenbarung des edelmütigen Propheten) am 24. September 2003.
[17] Die Reden des Imam Khamenei in einer Sitzung mit einigen Universitäts- und Theologiestudenten am 16. Dezember 1989.
[18] Die Rede des Imam Khamenei in der Sitzung mit Regierungsvertretern und -verantwortlichen am 11. Juli 1990.
[19] Die Reden des Imam Khamenei bei der Sitzung mit den Jugendlichen und jungen Menschen aus der Region Khorasan am 14. Oktober 2012.