Fragen an den Direktor der Islamischen Akademie Deutschland

Im Rahmen eines Religionsprojekts wurden Hudschat-ul-Islam Dr. Hamidreza Torabi (Direktor der Islamischen Akademie Deutschland e.V.) nachfolgende Fragen gestellt. In diesem Artikel werden die Antworten kurz zusammengefasst. 

  • Ist es für muslimische Migranten schwieriger sich in Deutschland zu integrieren, aufgrund der unterschiedlichen Werte in der deutschen Gesellschaft und im Islam?

Unserer Meinung nach ist nicht die Religion das Problem, sondern es sind eher die verschiedenen Kulturen und Nationen, die hier aufeinandertreffen, worunter auch Menschen sind, die aus einer teils unzivilisierten Umgebung stammen und den Umgang mit einer Gesellschaft nicht richtig kennen. Andererseits ist es auch so, dass jedes Volk seine individuellen Eigenschaften hat, die ebenfalls dazu beitragen, wie einige Völker, die kulturell sehr grob sind und einen eher harten Umgang miteinander pflegen.

Außerdem ist noch zu erwähnen, dass die Integration nicht in jeder Rechtsschule vertreten ist. In der schiitischen Lehre der Ahl-ul-Bayt ist beispielsweise das Potenzial vorhanden. Das kann man als eine vernünftige Basis ansehen. Die Vernunft, die uns gegeben ist, schließt extreme Haltungen in Bezug auf dieses Thema aus. Ein weiterer Punkt ist die Art und Weise des Umgangs, wie beispielsweise der nicht sanfte Ton, die Abklassifizierung eines Flüchtlings u.a., welches zur Weigerung der Mitarbeit seitens des Flüchtlings führen kann.

Zudem muss man darauf achten, dass Integration richtig definiert und vernünftig ausgeführt wird. Es darf nicht so sein, dass von einem Menschen verlangt wird, dass er sein komplettes Ich verändern muss. Er muss die Möglichkeit bekommen, seinen Glauben bewahren zu können, dann besteht kein Widerspruch zur Integration.

  • Haben Sie schon persönliche Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht und wenn ja, welche waren das?

Wir haben hier in unserem Zentrum viel und regelmäßig mit Flüchtlingen zu tun. Diejenigen, die mit unserer Moschee in Verbindung stehen, haben überwiegend gute Erfahrungen mit uns gemacht, wie dass Erlernen des richtigen Umgangs in dieser Gesellschaft und ähnlichem. Wir haben Flüchtlinge, die an Deutschkursen teilgenommen haben und teils in kürzester Zeit die Grundlagen des Sprechens erfasst haben, motiviert sich weiter zu bemühen und weiter zu integrieren.

Die meisten von ihnen sind sehr erfreut darüber, dass sie ihre Freiheiten haben, die Moschee jederzeit besuchen und ihrer Religion in Ruhe nachgehen können. Sie haben keinerlei Probleme und Beschwerden gegenüber dem deutschen Volk. Sie sind zufrieden mit dem, was aus ihrer Situation zwangsweise geworden ist, aber es ist unklar, ob sie auch ohne die Probleme in dieses Land gekommen wären. Sie haben leider ein Problem, nämlich die Unwissenheit über ihre Zukunft, ob sie bleiben können oder nicht. Diese Ungewissheit kann dazu führen, dass sie depressiv werden.

  • Viele deutsche Bürger haben Angst vor einem konservativen Islam und vor einer Einschränkung des westlichen Lebensstils durch muslimische Bürger. Was sagen Sie dazu?

Diese Angst stammt unserer Meinung nach eher aus den Medien, die für eine gewisse Hetze sorgen, um die Bürger vor einer nicht bedrohlichen Situation zu warnen. Eine Bedrohung seitens des Islam ist nicht gegeben.

  • Haben Sie auch mit nicht-muslimischen Flüchtlingen zu tun?

Aufgrund dessen, dass wir ein Islamisches Zentrum sind, haben wir meist mit muslimischen Flüchtlingen zu tun. Wir sind offen gegenüber jedem Flüchtling.
Der Imam der Moschee spricht regelmäßig über die Stellung des Menschen im Islam. Jeder Mensch ist gut zu behandeln, sei er Muslim oder nicht. Die Religion spielt hier keine Rolle.

  • Die Flüchtlinge gehören unterschiedlichen Glaubensrichtungen an (Sunniten, Schiiten, Yeziden, Christen). Gibt es bei der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Glaubensgemeinschaften Probleme?

Wenn die Moscheen offen sind, keinen Extremismus predigen und einen gemäßigten Islam anstreben, dürften keine Probleme auftreten. Für den Dialog offene Moscheen, wie beispielsweise die Blaue Moschee an der Alster, müssen unterstützt und gefördert werden. Extremistische Moscheen hingegen sollten unter Beobachtung stehen.

  • Glauben Sie, dass in Deutschland integrierte muslimische Bürger Brücken bauen können zwischen Deutschen und Flüchtlingen?

Mit Sicherheit. Besonders diejenigen, die in Deutschland etwas aufgebaut haben und wichtige Rollen einnehmen, Islamische Akademien führen und sich in den Moschee-Gemeinden hervortun oder Funktionen übernehmen. Der Grund hierfür ist, das sie zum einen die Fähigkeit der Lehre haben und zum anderen die Jugendlichen auf sie hinaufschauen und als authentische Ansprechpartner sehen. Die Islamischen Akademiker, die sich integriert haben, spielen hierbei eine sehr große Rolle, die genutzt werden muss.

  • Wie muss man mit dem Leichnam eines Selbstmörders umgehen?

Für jemanden, der sich aus welchen Gründen auch immer durch Suizid das Leben genommen hat, sind alle Aspekte des Ghusl (Rituelle Ganzwaschung), Kafn (Leichentuch), Dafn (Begräbnis) und das Totengebet zu verrichten. Weiterhin sind keine Einwände gegen die Teilnahme an der Trauerveranstaltung vorhanden und das Bitten um Vergebung für den Verstorbenen ist empfohlen (mustahab).

Der Grund für diese schiitische Fatwa – Im Gegensatz zu anderen Denkschulen, wie z.B. der hanbalitischen Denkschule – ist zum einen der Grundsatz, dass für alle Muslime das Totengebet verrichtet werden soll – hierfür gibt es keine Aufhebung, und zum anderen die Übereinstimmung mit den folgenden Überlieferungen:

  • Der Prophet (s.): „Verrichtet das Gebet für den Gesteinigten und den Selbstmörder meines Volkes und lasset keine von Ihnen ohne das Gebet.“
  • Imam Sadegh (a.): „Verrichtet das Totengebet für denjenigen, der an die Qibla (Gebetsrichtung) glaubt – auch wenn er eine große Sünde wie Selbstmord begangen hat – und überlasset die Berechnung seiner Schuld Allah.“

Die hier erwähnten Aspekte sollten nicht dazu führen, dass die unmoralische Tat des Selbstmordes zu einer Bestätigung oder Ermutigung für andere führt oder gar als islamisch und moralisch vertretbar angesehen wird. Selbstmord gehört im Islam zu den großen Sünden. In mehreren Überlieferungen wird eindeutig darauf hingewiesen, dass eine große Bestrafung und Leid auf den Selbstmörder warten.

Einige sprechen sogar von einem ewigen Höllenfeuer, wobei andere wiederum dieses etwas relativieren, da sie aufgrund der Gnade und Barmherzigkeit Gottes auf die Vergebung des Schöpfers hoffen – auch wenn die Bestrafung groß sein wird. Es gibt sogar Interpretationen, die die strenge Ablehnung des Islam gegenüber Selbstmord damit begründen, dass diese Tat so zu verstehen ist, dass der Mensch seinem Schöpfer das Geschenk des Lebens dem Schöpfer ins Gesicht wirft.