Für Gerechtigkeit gibt es verschiedene Beispiele und unterschiedliche Arten, die in ihrem Kern auf der gleichen Idee beruhen: Gerechtigkeit beschreibt einen ausgewogenen Zustand (etwa in einer Gesellschaft). Eine Gesellschaft, in der Gerechtigkeit herrscht, ist eine ausbalancierte Gesellschaft. Das Schaffen dieser Balance ermöglicht ein freies und friedvolles Zusammenleben zwischen Menschen und Tieren. Das Ausüben von Gerechtigkeit wirkt sich somit nicht nur auf den Menschen, sondern etwa auch auf Tiere und Pflanzen aus. In einer gerechten Welt stehen diese Dinge somit im Einklang zueinander. Die Gerechtigkeit wird oftmals mit einer ausgeglichenen Waage verglichen, in der ein Gleichgewicht herrscht.
Gerechtigkeit existiert sowohl auf materieller als auch immaterieller Ebene: Mit materieller Gerechtigkeit ist die gleichmäßige Verteilung von Gütern wie Wohnanlagen, Geldmitteln, Verkehrsmitteln etc. gemeint. Ein Beispiel für materielle Gerechtigkeit: Ist der Anteil von obdachlosen Menschen innerhalb einer Gesellschaft 10%, so sind die 90%, die über Obdach verfügen, verpflichtet, für den Unterhalt der 10% zu sorgen, damit jeder die Möglichkeit und das Recht auf ein Obdach hat. Eine Gesellschaft, die Maßnahmen zur Schaffung von Obdach verbietet, wäre in diesem Sinne ungerecht. Immaterielle Gerechtigkeit hingegen entspringt aus der geistlich, ethisch und moralischen Quelle menschlichen Denkens und Handelns. Jeder glaubt an etwas anderes. Wird eine bestimmte Gruppe von Menschen aus einem Land gezielt vertrieben oder angegriffen, so ist dieses immaterielle Ungerechtigkeit.
Politik, Gesellschaft und Medien
Jede Gesellschaft hat mindestens einen (politischen) Führer, der die Regierung kontrolliert. Je nach Regierungsform sehen die politischen Strukturen entsprechend anders aus. Zur Übertragung der politischen Botschaften und Ziele werden Medien verwendet, die die Gesellschaft über politische Vorgänge informieren sollen. Eine Politik ohne Transparenz, die durch mediale Berichterstattung erfolgt, ist eine intransparente und auf Seiten der Bevölkerung nicht vertrauenswürdige Politik.
Die Politik als Führung hat die Aufgabe für absolute Gerechtigkeit zu sorgen. Gerechtigkeit bedeutet, dass jeder frei leben darf und dass jeder gerecht und fair behandelt wird. Ein Staat, der eine bestimmte Gruppe von Menschen ausschließt, ist an sich bereits nicht gerecht, da er diese Gruppe aktiv aufgrund ihrer Sichtweisen in der Gesellschaft diskriminiert. Diskriminierung, Intoleranz und Rassismus sind die Gegenzüge zu einer weltoffenen, gerechten, zwangfreien Ordnung.
Gerechtigkeit aus islamischer Sicht
An dieser Stelle sei erwähnt, dass es sich nicht um genaue Analysen von Koranversen handelt. Der Koran auf Arabisch bzw. der Qur’an darf nur von Menschen mit hohem Maß an Wissen der arabischen Sprache analysiert werden, um den 100%igen Wahrheitsgehalt erkennen zu können. Es sollen sinngemäße Übersetzungen in deutscher Sprache aufgeführt werden, um ein Verständnis des Lesers gewährleisten zu können. Eine alleinige Betrachtung eines Verses ohne zu untersuchen, in welchem Kontext der Vers von Gott herabgesandt worden ist, oder welche (arabische) Bedeutung dahinter steht, ist in der Regel nicht für das korrekte Verständnis ausreichend.
Im Islam ist das Konzept der Gerechtigkeit ebenfalls ein Faktor, der neben Frieden, Toleranz, Geduld, gemeinsamem Miteinander und anderen Aspekten seinen festen Platz in der Religion findet. Der Islam sieht Gerechtigkeit zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen als oberstes Gebot, um friedvoll miteinander leben zu können. So behandelt die Sure 109 (aal-Kafirun) wesentliche Aspekte, die der Mensch beim Leben mit Nicht-Muslimen zu beachten hat. Vor allem der letzte Vers der Sure 109 „Euch eure Religion und mir meine Religion“ bekräftigt das Recht darauf, dass jedem sein Glauben bzw. Unglauben und seine jedem zusteht. Es folgen weitere Beispiele:
In Sure 4 sagt Allah in Vers 58 (al-Mudschadila): „Allah befiehlt euch, anvertraute Güter ihren Eigentümern (wieder) auszuhändigen und, wenn ihr zwischen den Menschen richtet, in Gerechtigkeit zu richten. Wie trefflich ist das, wozu Allah euch ermahnt! Gewiß, Allah ist Allhörend und Allsehend.“
In Sure 16 Vers 90 sagt Allah: „Allah gebietet Gerechtigkeit, gütig zu sein und den Verwandten zu geben; Er verbietet das Schändliche, das Verwerfliche und die Gewalttätigkeit. Er ermahnt euch, auf daß ihr bedenken mögt.“
Ein Auszug aus Sure 49 (al-Hudschurat | 49:9): „… dann stiftet Frieden zwischen ihnen nach Gerechtigkeit und handelt dabei gerecht. Allah liebt ja die Gerechten.“
Aus obigen Auszügen wird deutlich, dass der Islam den Muslimen befiehlt gütig und gerecht sowohl mit Nicht-Muslimen als auch mit Muslimen umzugehen, um Gottes Wohlgefallen ernten zu können, während Gott das Schändliche und die Gewalttätigkeit sowie Ungerechtigkeit verabscheut.
Die Realität heute: Ungerechtigkeit anstatt Gerechtigkeit
Leider leben wir heute in einer Zeit, in der politische Ziele zur Schaffung von nationaler wie internationaler Gerechtigkeit kaum bis gar nicht realisiert werden. Im gegenwärtigen Zeitalter geht es verstärkt um das „Sich-Selbst-Verwirklichen“: Viele verstehen unter innerem Frieden das Verfügen über viele, hochwertige materielle Güter wie Häuser, Autos, Kleidung und mehr, während gleichzeitig viele arme Menschen kein Dach über dem Kopf haben und täglich um das Überleben kämpfen, da sie keine Garantie auf Essen und Trinken haben. Zudem haben sie oftmals keine saubere Kleidung oder eine helfende Hand, die die körperlichen sowie psychischen Probleme des Leidenden versucht zu beseitigen. Eine Aussage, die oftmals in der westlichen Welt gehört wird: Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Öffentliche sowie politische Einrichtungen, die sich für Obdachlosen einsetzen, sind kaum vorhanden. Die, die vorhanden sind, sind oftmals unterbesetzt und können nicht jedem obdachlosen Menschen helfen. Oftmals machen wohlhabendere Menschen die Aussage, dass die armen Menschen sich selber in die Armut gestürzt hätten, was nicht immer stimmt. Die Hilfsbereitschaft ist generell sehr niedrig, was auf den egozentrischen Konsum-Lifestyle zurückzuführen ist.
Viele Medien kommen ihrem Auftrag, über politische Ereignisse zu berichten (z.B. Wahlen) gut nach, verleumden jedoch gleichzeitig oftmals verschiedenste Mitglieder der Gesellschaft. Seit dem 11. September wird der Islam in den Medien immer mehr bekämpft und eine ganze Weltreligion steht unter Terrorismusverdacht. Ein Beispiel für die gleiche Denkweise: Nachweislich haben die meisten Amok-Läufer Brot gegessen. Wenn man obiger Denkweise nachgeht, muss man nun alle Menschen, die Brot essen, als Amok-Läufer ansehen. Die Medien berichten vor allem über internationale Ereignisse oftmals völlig verfälschend.
So ist die Wahrheit über die Lage in Gaza beispielsweise völlig verdreht worden: Ein Gebiet, dessen Einwohner überwiegend kaum gebildete und schlecht verdienende Menschen sind, wird von Israel zu Unrecht angegriffen. In diesem Fall ist es Pflicht aller Nationen – unabhängig welcher Religion oder Farbe sie angehören, in so einem Fall der Ungerechtigkeit der Gerechtigkeit Genüge zu tun und an den Kernproblemen, die solch eine Situation verursacht haben, zu schrauben. Der Ungerechtigkeit muss also mit Gerechtigkeit entgegengewirkt werden. Solange Gerechtigkeit nicht gefördert wird, wird weiterhin Ungerechtigkeit herrschen. Die Medien kümmern sich um weniger wichtige Ereignisse wie die Fußball-Weltmeisterschaft, während in anderen Teilen der Welt unschuldige Kinder getötet werden, obwohl Politik, Medien und Gesellschaft doch eine Einheit sind. Die Gesellschaft hat vor allem im Fall Gaza auf fast der ganzen Welt gegen den Völkermord öffentlich protestiert und die mangelnde Reaktionen der Regierungen scharf kritisiert.
Gerechtigkeit in Zukunft? Was muss getan werden?
Wenn Politik und Medien nicht auf Ungerechtigkeit aufmerksam machen und aktiv bekämpfen, haben wir das, was wir heute haben: Eine Welt voller Kriege, Meinungsverschiedenheiten, Hass, Zorn und Intoleranz. Schaut man sich die Kosten für einen amerikanischen M1 Abrams Kampfpanzers an, so wird man feststellen, dass eine Einheit mehrere Hunderttausend Dollar kostet. Kriege werden ständig geführt, die Kosten hierfür sind astronomisch hoch, wobei doch ein friedliches Wort umsonst ist und das Geld somit gerechter investiert werden könnte, indem jedem Kind eine Schulbildung oder etwa jedem Obdachlosen ein Heim und einem Kranken eine Behandlung angeboten werden kann. Die verantwortungsvolle Investition von materiellen Gütern schafft materielle Gerechtigkeit, während die gegenseitige Toleranz und eine weltoffene Psyche im Kopf eines jeden Menschen die immaterielle Gerechtigkeit absichert. Politik, Medien und Gesellschaft haben den Auftrag beide Arten der Gerechtigkeit umzusetzen, damit auf der Erde Gerechtigkeit, Frieden und ein ausgewogenes sowie gleichberechtigtes Leben mit Respekt und Akzeptanz herrschen kann.