Islamische Ereignisse

Gemeinsame Sitzung der katholischen Hochschule der Universität Sorbonne und der Islamischen Akademie Hamburg

Diese gemeinsame wissenschaftliche Sitzung fand am Samstag, dem 10. Dezember 2016, unter Anwesenheit des Leiters des Islamischen Zentrums Hamburg, Ayatollah Dr. Ramezani, des Leiters der katholischen Hochschule der Universität Sorbonne, Dr. Le Hugo, des Leiters der Islamischen Akademie Hudschat-ul-Islam Dr. Hamidreza Torabi, und Hudschat-ul-Islam Dr. Saeid Jazari, Dozent an der Universität Sorbonne, in der Bibliothek des Islamischen Zentrums in Hamburg statt.

Zu Beginn hieß Hudschat-ul-Islam Dr. Hamidreza Torabi Prof. Le Hugo und Dr. Jazari willkommen und bezeichnete danach die Abhaltung wissenschaftlicher Sitzungen und des Dialogs der Religionen als Notwendigkeit in der heutigen Gesellschaft. Er fügte hinzu: „Die islamische Akademie begann 2012 eine neue Phase ihrer Aktivitäten und verfolgt seither zielstrebiger die Abhaltung von Dialogen, Schulungen und Forschung. Im Bereich des Dialogs bietet die Islamische Akademie regelmäßig Veranstaltungen mit Universitäten und religiösen Zentren, an denen bekannte Persönlichkeiten teilnehmen, was auch in den deutschen Medien erwähnt wird. Im Forschungsbereich wurden in den vergangenen Jahren über 20 Bücher in den Druck gegeben, wovon einige verfasst, einige übersetzt und einige editiert wurden. Die vierteljährliche Zeitschrift Al-Fadschr – die schon seit 33 Jahren herauskommt und an Universitäten verschickt wird – befasst sich mit aktuellen wissenschaftlichen Themen. Dabei sticht die Islamlehre und die Gründung der Islamisch-Theologischen Hochschule von Hamburg besonders hervor. Derzeit werden über 30 Theologiestudenten aus fünf europäischen Ländern (Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Belgien und Frankreich) – Frauen und Männer getrennt – an dieser Hochschule von zehn in Teilzeit oder Vollzeit beschäftigten Dozenten unterrichtet.“

Anschließend bekundete Herr Prof. Le Hugo (Islamwissenschaftler, Leiter der Hochschule für katholische Priester Frankreichs und wissenschaftlicher Leiter der katholischen Abteilung der Universität Sorbonne) seine Freude darüber, dass er an dieser Sitzung teilnehmen durfte. Er bedankte sich bei den Initiatoren dieser Sitzung und bezeichnete die schiitische Schule als eine reichhaltige Kultur, die der Welt – gegenüber den Wahhabiten – den wahren Islam nahebringen könne. Er fügte hinzu: „Solch ein Dialog und die Aktivitäten der Akademie sind eine gute Gelegenheit, um die schiitische Schule in Europa und in Deutschland vorzustellen. Ich forsche nun seit fünf Jahren über die schiitische Kultur und bin zu den wichtigsten schiitischen Zentren in Mashhad, Qom, Kerbela und Nadschaf gereist, um diese Kultur aus der Nähe kennenzulernen. In der heutigen Zeit kennen viele noch nicht die reichhaltige schiitische Kultur, und wissen nicht, dass genau diese den wahren Islam vorstellen kann.“

In einem anderen Teil seiner Rede wies er auf die Wichtigkeit dieses Dialogs hin und sagte: „Die heutige Gesellschaft benötigt mehr denn je einen solchen Dialog, aber es ist wichtig, dass er von Religionswissenschaftlern und Dozenten durchgeführt wird. Aus demselben Grund haben wir auch Herrn Dr. Jazari eingeladen, islamische Rechtslehre (Fiqh) zu unterrichten. Auch sunnitische Geistliche wurden eingeladen, zu unterrichten. Ziel des interreligiösen Dialogs ist nicht, alle Religionen miteinander zu vermischen, um dann eine Universalreligion zu erschaffen. Diese Unterschiede hatten schon ihren Grund. Wichtig ist nur, dass wir nebeneinander in Frieden leben können – genauso wie es im Qur’an steht, wo Gott sagt: „Wir haben euch in verschiedenen Gruppen erschaffen.“ Dialog bedeutet nicht, dass wir die anderen verändern, damit sie wie wir denken; sondern die Gelegenheit zu schaffen, damit sie auch ihre Meinung äußern können.

Neben unserer Aufgabe als Diener sind wir auch verpflichtet, für Frieden und Ruhe in der Gesellschaft zu sorgen. Sie kennen bestimmt besser als ich diesen Hadith, der besagt: „Ein Gläubiger ist der, der alles, was er für sich selbst vermag, auch seinem Nächsten wünscht.“ Leider sind einige der Ansicht, dass nur ihre Sichtweise richtig ist, alles andere falsch ist und alle, die anders denken, irrgeleitet sind. Wir müssen bei den Dialogen mit den Anhängern anderer Religionen offen sein und positiv denken. Wir müssen akzeptieren, dass auch andere Religionen Positives haben. Der allmächtige Gott hat jeder Religion besondere Eigenschaften beschert. Wir müssen die Unterschiede akzeptieren und verstehen, dass die anderen Religionen ihre eigenen Werte haben, die sich gegenseitig ergänzen können. Unter den abrahamitischen Religionen gibt es Gemeinsamkeiten, auf deren Basis sich die Religionen näherkommen können. Wenn ein Anhänger des Buddhismus sich die abrahamitischen Religionen von außen anschaut, kann er sehr gut die Gemeinsamkeiten erkennen, doch wir, die wir uns mitten im Geschehen gegenseitig anschauen, können diese Gemeinsamkeiten nicht richtig erkennen, und konzentrieren uns stattdessen nur auf die Differenzen.“

Im zweiten Teil seiner Rede befasste sich Dr. Le Hugo mit „Fürbitte“ (tawassul) aus der Sicht des Christentums, und sagte: „Wir benutzen in Bezug auf Jesus Christus den Begriff „Sohn Gottes“, was aus Sicht der Muslime nicht richtig ist. Gott sagt im Qur’an in der Sure Al-Ikhlas (al-Ikhlas | 112:3): „(Er) hat nicht gezeugt und ihn hat keiner gezeugt“. Dazu muss ich sagen, das dies unter den Christen eine Metapher ist: Das bedeutet nicht, dass Jesus der gezeugte Sohn Gottes ist, sondern eher „Blut Gottes“ – wie auch die Schiiten Imam Hussein (a.) bezeichnen. Fürbitte gibt es auch unter den Christen und wenn die Christen Gott um Fürbitte bitten wollen, wollen sie sich der Göttlichkeit Gottes nähern. Wir sind der Ansicht, dass Gott sich in Jesus verkörpert und wenn wir bei Jesus um Fürbitte bitten, so haben wir uns Gott genähert. Wir glauben, dass Jesus am Kreuz gestorben und wiederauferstanden ist. Wir richten durch Jesus unser Gebet an Gott. Weiterhin glauben wir, dass die Menschen, die auf dieser Welt fromm waren, für uns bürgen können und solche, die Gott nahe sind, für uns beten können. Je näher sie Gott sind, umso mehr können sie für die Menschen bürgen. Ich bin kein Moslem und kein Schiit, doch als ich in Kerbela, Qom oder Mashhad am Schrein der Imame war, hatte ich das Gefühl, dass diese Imame auch bürgen können. Wir glauben, Jesus starb am Kreuz, weil er uns sagen wollte, dass es etwas Besseres als das Leben gibt. Um dies zu erreichen, muss man das erbärmliche Leben hinter sich lassen. Genau dasselbe hat Imam Hussein mit seinem Opfer sagen wollen. Wenn wir Jesus huldigen und Ihr Hussein, dient dies der Verwirklichung der Fürbitte.

Ein weiterer Redner dieser Sitzung war der Imam und Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg, Ayatollah Dr. Ramezani. An einer Stelle seiner Rede betonte er die Wichtigkeit des Dialogs und stellte die Wahrung der Menschenwürde als eine Grundlage aller Religionen dar. Er fügte hinzu: „Wir sind der Ansicht, dass dieser Dialog für eine harmonische Koexistenz aller Menschen eine unbestreitbare Notwendigkeit ist. Frieden unter den Religionen spielt eine grundlegende Rolle bei der Herstellung von Frieden und Sicherheit. Die Grundlage aller Religionen ist identisch, denn sie besteht aus der Würde des Menschen. Wichtig ist nur, dass solch ein Dialog nicht nur in geschlossenen Räumen stattfinden darf. Die Ergebnisse sollten auch über die Medien verbreitet werden. Die Medien können eine sehr gewichtige Rolle bei der Verbreitung der Ziele dieses Dialogs spielen.“

An einer weiteren Stelle seiner Rede erörterte er die Ansichten der schiitischen Glaubensrichtung bezüglich der Fürbitte und fügte hinzu: „Das System, das Gott im Qur’an für diese Welt vorstellt, ist ein göttliches System, was bedeutet, dass dieses System von ihm ist und zu ihm zurückkehrt (al-Baqara | 2:156). Das ist in der Praxis zu erproben. Viele Verse im Qur’an wollen genau dies lehren. Basierend darauf glauben wir, dass bedürftige Menschen nichts bewirken können. Der einzige, der in einem göttlichen System selbstständig etwas bewirken kann, ist unseres Erachtens Gott. Wenn wir behaupten, dass jemand einen Toten wieder zum Leben erweckt hat, ist es der Wille Gottes. Oder wenn wir die Heiligen um Fürbitte bitten, setzen wir sie eigentlich als Bürge ein. Fürbitte hat eine allgemeine Bedeutung und ist alles, was einem Gott näherbringt. Eine Art der Fürbitte sind gute Taten wie Gebet, Fasten et cetera. Diese Taten werden eingesetzt, um Gottesnähe zu erlangen. Eine andere Art der Fürbitte ist, dass wir die heiligen Persönlichkeiten als Bürge nehmen.“

„Einer der Gemeinsamkeiten der Religionen ist diese Fürbitte. Wir glauben zum Beispiel, dass die Propheten – wie Jesus Christus – auch Bürge sein können. Die heiligen Persönlichkeiten können die Verbindung mit Gott stehen und sogar den Menschen helfen, einen höheren spirituellen Rang zu erlangen. Nun entsteht die Frage, ob man überhaupt einen Bürgen braucht, um mit Gott Kontakt aufzunehmen, oder ob man auch direkt mit Gott sprechen kann? In Anbetracht der Lehren des Qur’ans muss man sagen, das der Mensch direkt mit Gott sprechen kann: „Und wenn meine Diener dich über mich befragen, (sag) ihnen, ich bin nah, und die Gebete der Betenden werden – wenn sie mich rufen – erhört. Also müssen sie sich meinem Befehl fügen und an mich glauben, so sollen sie auf dem rechen Weg geleitet werden.“ (al-Baqara | 2:186).“

„Der Vertreter Gottes hat mehrere Aufgaben. Eine dieser Aufgaben ist, mitzuwirken daran, dass die Sünden vergeben werden. Wenn der Mensch die hohen Stufen der Menschlichkeit erreichen will, kann er bei den Heiligen um Fürbitte bitten. Für die Schiiten ist es irrelevant, ob die Heiligen noch am Leben sind oder nicht, denn aus Sicht der Schiiten ist der Körper unwichtig. Nur der Geist zählt, da er für immer lebt – genauso wie Glaube und Gotteslästerung, die nicht verschwinden, egal, ob der Mensch noch lebt oder schon tot ist, weil sie zum Geist des Menschen gehören. Wir beten stets am Schrein der Heiligen, doch wir verneigen uns nie vor ihnen, denn das Verneigen ist ein Zeichen der Anbetung. Diese gebührt allein dem allmächtigen Gott. So gesehen steht die Fürbitte bei den Heiligen nicht in Widerspruch zum Monotheismus. Gott, der Erhabene, schafft in seiner unendlichen Güte selbst im Jenseits für seine Diener die Gelegenheit, um Fürbitte zu bitten.“

Zweite spirituelle Nacht im Islamischen Zentrum Hamburg

Von Samstag, den 28.01. auf Sonntag, den 29.01.2017 fand im Islamischen Zentrum Hamburg die Zweite Spirituelle Nacht statt.

Etwa 140 Personen aus unterschiedlichen Städten Deutschlands, unter anderem Delmenhorst, Hannover, Bremen, Hagen, Berlin und Dortmund, hatten sich für die zweite spirituelle Nacht im IZH bereits Wochen vorher angemeldet. Die ersten Gäste traten Samstagmittag in die Moschee ein, sodass zur Abendgebetszeit alle Beteiligten anwesend waren. Die Veranstaltung wurde simultan in die deutsche Sprache übersetzt. Viele der Teilnehmer waren libanesischer Herkunft, aber auch iranische, afghanische, pakistanische und türkische Gäste nahmen an dieser Veranstaltung teil.

Nach dem Gemeinschaftsgebet startete die spirituelle Nacht um 18 Uhr mit einer Qur’an-Rezitation. Danach begrüßte Herr Jaafar Elsner die Anwesenden und wies sie auf einige Regeln hin. Um 18:20 Uhr begann das Programm mit einer Rede des Imams und Leiters des Islamischen Zentrums Hamburgs Ayatollah Dr. Ramezani. Hierbei begrüßte er zuerst alle Gäste und teilte Ihnen seine Freude mit, so viele junge Leute anwesend zu sehen. In seiner Rede erklärte er, worum es in solch einer Nacht gehe. Jeder solle versuchen, aus jeder Nacht eine spirituelle Nacht zu machen. In dieser Nacht sei jeder Gast seines Denkens und Handelns. Herr Ayatollah Dr. Ramezani legte allen Beteiligten ans Herz, in sich einzukehren und die Gelegenheit zu nutzen, mit Gott zu kommunizieren. Man solle sich in dieser Nacht bewusst werden, welche Gaben Gott den Menschen gegeben hat.

Im Anschluss an den Vortrag von Herrn Ayatollah Dr. Ramezani gab es eine Stunde lang eine Fragerunde. Hierbei stellten die Teilnehmer Fragen, die Herr Ayatollah Dr. Ramezani dann beantwortete. Um 19:45 Uhr wurde gemeinsam ein Bittgebet (Munadschat) gelesen, was in arabischer und persischer Sprache zum Mitlesen an eine Leinwand projiziert wurde. Darauf folgte das Abendessen. Um 20:30 Uhr ging es mit dem Vortrag von Herrn Hassan Mohsen weiter. Darin ging es um den Sinn des Lebens. Der Mensch habe einen Grund zu leben, und dieser Grund sei Gott. Nach diesem Vortrag wurde gemeinsam das Bittgebet „Al-Mudschir“ gelesen. Um 21:45 Uhr fand ein Vortrag des Studenten der Islamischen Akademie Deutschland Herr Omid Darfaheh Fashki über „Bittgebete“ statt. Herr Fashki erläuterte in seinem Vortrag, dass Bittgebete eine Art Erfragung des Besten seien. Der Mensch bitte Gott, ihm das Beste zu geben. Dabei sei es wichtig, dass der Bittende hoffnungsvoll ist und Gott vertraut. Zum Ende des Vortrags wies Herr Fashki auf ein Bittgebet hin, das nach jedem Gebet gelesen werden sollte. Von 22:15 Uhr bis 23:00 Uhr fanden verschiedene Gesprächskreise mit Gelehrten und StudentInnen der IAD statt, wo Fragen gestellt und Informationen ausgetauscht wurden. Ab 23:00 Uhr begann die Nachtruhe. Einige der Teilnehmer führten ihre Gesprächskreise in entsprechenden Räumen weiter fort, andere Teilnehmer nutzten die Nacht, um sich spirituell zu steigern.

Am Samstagmorgen fand das Gemeinschafts-Morgengebet statt. Im Anschluss gab es einen kurzen Vortrag, welches die Bedingungen der Richtigkeit und der Annahme des Gebets beinhaltete. Nach dem Gebet bestand die Möglichkeit, sich wieder bis zur Frühstückszeit auszuruhen. Um 10:00 Uhr wurde 30 Minuten gemeinsam aus dem Qur’an rezitiert. Darauf erfolgte wieder ein gemeinsames Bittgebet. Um 11:00 Uhr hielt Herr Hudschat-ul-Islam Ansari eine Rede über die Verpflichtungen des Menschen. Er erläuterte, dass die Erkenntnis Gottes die erste Verpflichtung sei, worauf das Dienen Gottes erfolge. Des Weiteren habe man gegenüber den Gesandten, gegenüber der Gesellschaft und auch gegenüber sich selbst Verpflichtungen zu erfüllen. Außerdem erklärte Herr Hudschat-ul-Islam Ansari auch die Zeichen der Rechtleitung. Zwischen einem Muslim und einem Gläubigen gäbe es einen Unterschied. Ein Muslim sei man, sobald man das Glaubensbekenntnis „Shahadat“ aufgesagt hat. Ein Gläubiger dagegen habe den Glauben im Herzen, auf der Zunge und auch seine Taten und sein Handeln fielen entsprechend aus. Im Anschluss an den Vortrag fanden wieder Gesprächskreise der Gelehrten und der StudentInnen der IAD statt. Um 12:30 Uhr wurde das Programm mit dem Gemeinschafts-Mittagsgebet beendet. Hiernach haben alle Veranstaltungsteilnehmer gemeinsam Mittag gegessen und die Moschee verlassen.

  1. Konferenz zur Woche der islamischen Einheit

In Zusammenarbeit des Islamischen Zentrum Hamburgs (IZH) mit dem Rat der Islamischen Gemeinschaft in Hamburg (SCHURA) fand am Sonntag, 15. Januar 2017, von 10:30 bis 17:00 Uhr eine Konferenz zum Thema „Islamfeindlichkeit und Rechtspopulismus als Herausforderung für Islam und Demokratie in Europa“ statt. Diese bestand aus drei Podiumssitzungen zu den Themen „Islamfeindlichkeit als Bedrohung der demokratischen Gesellschaft“, „Islam in der demokratischen Gesellschaft – Position und theologische Grundlagen“ sowie „Gegenstrategien: Wie soll auf die antidemokratische Herausforderung reagiert werden? Sind islamische Religionsgemeinschaften Verteidiger von Demokratie und Pluralität? Was sind gesellschaftliche Perspektiven?“.

Mit einer kurzen Qur’an-Rezitation und anschließender Begrüßungsrede des Imams und Leiters des Islamischen Zentrum Hamburgs Herr Ayatollah Dr. Reza Ramezani wurde die Sitzung zum ersten Podium eröffnet. Hier ging es um die Islamfeindlichkeit als Bedrohung der demokratischen Gesellschaft. Diskussionsteilnehmer waren Ayatollah Dr. Ramezani, der Journalist Daniel Bax, die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, der Theologen Dr. Mansour Laghai und Yasemin El-Menouar aus der Bertelsmann Stiftung. Diese Podiumsdiskussion wurde von Katty Nöllenburg moderiert.

Hierzu nannte Ayatollah Dr. Ramezani verschiedene Faktoren, die zur Islamfeindlichkeit führen. Ein wichtiger Faktor ist etwa das Nichtbeachten der Menschenrechte und -würde. Weiter erachtet Ayatollah Dr. Ramezani die Besetzung verschiedener muslimischer Länder, in denen viele Millionen vertrieben und  getötet werden, als wichtigen Auslöser. Einige andere Faktoren sind beispielsweise Unterdrücker des eigenen Landes wie Gaddafi, die im Namen der Religion die Menschrechte missachten und schändliche und zu verurteilende Taten verüben. Er erklärte auch, dass die Menschenrechte für alle Menschen gelten müssen, unabhängig von ihrer Religion und Herkunft. Er rief dazu auf, gemeinsam gegen Extremisten vorzugehen und den Zusammenhalt zu stärken. Herr Daniel Bax sagte, dass die Islamfeindlichkeit keine Religionskritik sei, sondern eine Form des Rassismus, worin es darum gehe, bestimmten Menschengruppen ihre Rechte zu entziehen. „Es geht um die Beschränkung der Menschenrechte von Muslimen und die Benachteiligung dieser“ fügte er hinzu.

Frau Lamya Kaddor sah die negativen Ansichten über den Islam darin begründet, dass bestimmte Personen strikt gegen den Islam vorgehen und dementsprechend falsche Bilder über den Islam vermitteln. Es habe mit der gesellschaftlichen Zuspitzung zutun, kommentierte sie. Bezogen auf die Frage, was die wichtigsten Erkenntnisse zur Islamfeindlichkeit seien, erläuterte Frau Yasemin El-Menouar, dass die Islamfeindlichkeit ihrer Meinung nach eine Bedrohung für die Demokratie ist. Statistiken zufolge hat die Legitimation der Ablehnung des Islams über die Jahre deutlich zugenommen. Im Jahre 2015 sahen 57% der Bevölkerung in Deutschland im Islam eine Bedrohung. 40% der Bevölkerung fühlten sich durch Muslime im eigenen Land fremd, obwohl die Muslime mit nur 5%-Anteil in der Minderheit sind. Diese Aussagen stammen größtenteils aus ostdeutschen Regionen, wo kaum Muslime leben. So seien die meisten Menschen mit einem Entfremdungsempfinden persönlich noch keinen Muslimen begegnet, erklärte Frau El-Menouar.

Bezüglich der Frage, ob der Islam aus einer internationalen Perspektive als Feind anzusehen ist, erklärte Dr. Mansour Laghai, dass ein systematisches Hetzen gegen Muslime stattfindet. Der Hass wird von einer kleinen Menschenmenge gefördert, um andere Menschen zu verblenden. Die Menschen werden zudem gezwungen, sich entweder als westlich oder muslimisch zu begreifen und dementsprechend zuzuordnen. Weiter wurde im Podium diskutiert, ob der unhöfliche Umgang mit muslimischen, Kopftuch tragenden Frauen eine Form des Rassismus, der Islamfeindlichkeit oder evtl. der Frauenfeindlichkeit ist. Dies ist nach Meinung der Islamwissenschaftlerin Frau Lamya Kaddor eine Unterform des Rassismus, da die meisten Menschen den Islam als Religion weder ernstnehmen noch richtig kennenlernen wollen. Sie sind schlichtweg dagegen. Herr Daniel Bax kommentierte hierzu, dass es eine Mischung aus Frauenfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit sei. Die größten Ängste treten bei Leuten auf, die Muslime nicht richtig kennen, sagte er. Als Beispiel nannte er ältere Menschen und diejenigen, die noch nie mit einem Muslim in Kontakt getreten waren. Frau Yasemin

El-Menouar sagte: „Die Menschenfeindlichkeit gibt es immer, aber sie wird im Moment akut gegen den Islam angewendet. Vor allem sind es Leute, die mit ihrem Leben unzufrieden sind, die Islamfeindlichkeit aufweisen“. Auch führe die Globalisierung zu Sorgen. Wirtschaftliche Aspekte und auch die Unsicherheit bezüglich der Zukunftsabsicherung führe zu Feindlichkeit gegenüber Flüchtlingen und Muslimen, erläuterte Frau Yasemin El-Menouar. „Die Islamfeindlichkeit braucht nicht unbedingt Muslime“, betonte Frau Lamya Kaddor.

Des Weiteren kam aus dem Publikum die Frage auf, was Islam-Experten genau sind. Auf diese Frage antwortete Herr Dr. Mansour Laghai mit der Aufforderung, zu Leuten zu gehen, die den Islam richtig studiert haben (Gelehrte). Man soll direkt mit Muslimen reden, statt mit anderen „Experten“. Auch dürfe man nicht aus der Bibel oder aus dem Qur’an kontextlos Sachverhalte aufgreifen und verurteilen. Auch kam aus dem Publikum die Meinung, dass die weltweit böseste Religion das Christentum sei (Kolonialismus und die Eingriffe westlicher, christlicher Länder). Es wurde dazu aufgefordert, alle Religionen zusammen zu bringen, so wie der von Muslimen geförderte Dialog im IZH dies beabsichtigt. Das zweite Podium bezog sich auf das Thema „Islam in der demokratischen Gesellschaft – Position und theologische Grundlagen“. Hierin erklärte Ayatollah Dr. Ramezani, dass es im Laufe der Geschichte oftmals einen Dialog zwischen Muslimen und Nichtmuslimen gab, der nie zu Feindschaft und Krieg geführt habe. Islamfeindlichkeit sieht er als eine Bedrohung für die gesamte Menschheit. Die Quelle, die der kleinen Minderheit Unterstützung und Macht gebe, müsse bekämpft werden.

Herr Prof. Farid Esack begann seinen Vortrag mit der Aussage: „Nicht alles,was ich sage, ist für jeden akzeptabel und verständlich. Was ich sage, ist eher ungewöhnlich“. Er definierte die Demokratie als Hegemonie, welche überall auf der Welt anwendbar ist. Zudem betrachtet er die Einstellung zur Demokratie nicht nur als Einstellung zum Land an sich, sondern auch zur Freiheit, zu Menschenrechten und zur Entwicklung. Er wirft der westlichen Gesellschaft vor, Grenzen überschritten zu haben und die Meinungsfreiheit nicht mehr zu verwirklichen. Herr Prof. Farid Esack ist der Meinung, dass man die „Sicht“ Gottes nicht in vollem Umfang verstanden haben kann, zumal die subjektive Meinung des Betrachters immer mit einfließt. Er kritisiert und stellt die Frage, warum Deutschland den Gebrauch von Pestiziden im eigenen Land verbietet, aber gleichzeitig den Transport dieser ins Ausland einwilligt und erlaubt. Diese Aussage bezieht er auf die Waffenexporte, der zu großem Schaden der „Importländer“ führten. Er greift die Tatsache auf, dass Propheten des Islams mit dem Ziel gekommen sind, Ungerechtigkeit zu beseitigen und Gerechtigkeit zu erhalten, nicht um Kriege zu führen. Weiter stellt er klar, dass nicht Muslime und der Islam das Problem sind, sondern kleine Schicht, die immer mächtiger, reicher und größer werden will. Er spricht sich für Gleichberechtigung aus und gegen Unterdrückung von Menschen unabhängig von ihrer Herkunft.

Dr. Ademi definiert die Demokratie als eine Zumutung, die nicht immer mit den Vorstellungen der Menschen übereinstimmt. Er legte dar, dass die Verfassung das Verhältnis der Religion zum Staat regelt. Um dieses Verhältnis zu schaffen, dafür sieht er den Säkularismus als Staatsideologie als Konzeption. In Deutschland gäbe es eine säkulare Rechtstaatlichkeit, was nach deutscher Verfassung bedeute, dass sich der Staat mit keiner Glaubensgemeinschaft identifiziere. Dies heiße zugleich, dass der Staat ein Interesse daran habe, alle Glaubensgemeinschaften und auch andere Gemeinschaften gleichberechtigt zu fördern. „Die Verfassung verlangt von keiner Religion, dass sie verfassungskonform ist. Sie verlangt ein verfassungskonformes Praktizieren des Glaubens“. Das Bundesverfassungsgericht macht deutlich, dass jeder Gläubige sein Leben entsprechend seinen Glaubensvorstellungen ausrichten darf, sofern man die Rechte anderer nicht verletzt. So werden folgende drei Grundsätze vom Religionsverfassungsrecht geprägt:

  1. Religionsfreiheit als Menschenrecht
  2. Selbstbestimmungsrecht der Glaubensgemeinschaften und
  3. Die institutionelle Trennung von Staat und Religion.

Bei dem dritten Podium unter der Moderation von Herrn Eren Güvercin waren Herr Volker Beck (MdB, Die Grünen), Herr Dr. Zekeriya Altug (DITIB) und Herr Nobert Müller (SCHURA Hamburg) zu Gast.

Folgendes stand unter dem Thema Gegenstrategien:

  • Wie soll auf die antidemokratische Herausforderung reagiert werden?
  • Sind islamische Religionsgemeinschaften Verteidiger von Demokratie und Pluralität? -Was sind gesellschaftliche Perspektiven?

Herr Güvercin beschrieb den zunehmenden Populismus innerhalb der Gesellschaft, welcher nicht nur eine Herausforderung für die politischen Parteien hinsichtlich der bevorstehenden Wahlen in 2017 darstelle, sondern auch für die muslimischen Religionsgemeinschaften.

Eröffnet wurde die dritte Podiumsdiskussion mit der Frage, mit welchen Gegenstrategien man Islamfeindlichkeit und Rechtspopulismus vorbeugen kann. „Demokratie und Pluralität sind in den Augen der Mehrheitsgesellschaft nicht mit dem Islam vereinbar.“ so Herr Dr. Zekeriya Altug. Jedoch sei der Islam ein Beispiel für Demokratie und Pluralität. Die Muslime müssten die goldene Mitte finden, indem sie ihre Werte nach außen tragen und sich weiter entwickeln, um das Wertesystem und die Pluralität des Islams zu verdeutlichen. Sie sollten sich als Teil der hiesigen Gesellschaft sehen, um ein gemeinsames Wertesystem, gemeinsame Grundlagen und Strukturen zu schaffen. Der Staatsvertrag zwischen den muslimischen Verbänden und der Stadt Hamburg sei ein guter Anfang. Er bedauerte, dass dieses Beispiel leider länderübergreifend keine Nachahmung fände. Denn die beste Prävention gegen Islamfeindlichkeit und Rechtspopulismus sei die Anerkennung der muslimischen Bevölkerung in Deutschland, ohne Loyalitätsforderungen zu stellen. „Wir müssen als Teil der Gesellschaft zusammenwirken.“, sagte Herr Dr. Zekeriya Altug.

Norbert Müller sagte, dass die rechtsnationalistischen Bewegungen in Europa mit dem Wunsch nach einer anderen Gesellschaft und Rechtsordnung ernst genommen werden müssen. Wenn diesen Bewegungen nichts entgegen gesetzt werde, dann würden die gesellschaftlichen Minderheiten den Preis dafür zahlen. Er betonte, dass WIR gemeinsame Gegenstrategien entwickeln müssten, welche konsequent vertreten werden sollten. Einer populistischen Versuchung wie beispielsweise einem generellen Burkaverbot oder Ähnlichem dürfe nicht nachgegeben werden. Eine liberale Gesellschaft müsse offen für die Kleiderwünsche eines jeden Individuums sein. Rechtspopulismus könne man nur entgegentreten, wenn man ihm seine Legitimität abspreche, sei es von Seiten der Politik oder der Bevölkerung. Herr Müller rief die Muslime auf, nicht nur ihre eigene Religionsfreiheit/-rechte einzufordern, sondern für die Rechte aller Minderheiten voller Überzeugung aufzustehen.

Auf die Frage, wie die Politik mit Islamfeindlichkeit und Rechtspopulismus umgehen solle, erhob Herr Volker Beck Anschuldigungen und Kritik gegenüber den Mitgliedern islamischer Verbände in Hamburg. „Wenn Muslime auf Augenhöhe behandelt werden wollen, dann müssen sie sich sagen lassen, dass so etwas (verfassungs-akonforme Überzeugungen) nicht geht“. Daher seien Muslime von ihren Verbänden und Vertretern differenziert zu betrachten. Um Islamfeindlichkeit in Deutschland zu bekämpfen, müsse man die Muslime vor ihren Verbänden in Schutz nehmen. Muslime müssten sich entscheiden, ob sie Teil dieser demokratischen Gesellschaft sein wollten. Jeder, der nicht die Grundwerte dieser Gesellschaftsordnung teile, sondern anderen Wertesystemen folge, könne nicht erwarten, auf Augenhöhe behandelt zu werden. Auf dem Podium wurde weiterhin die Frage gestellt, ob man sich auch mit der populistischen Stimmung innerhalb der eigenen (muslimischen) Community beschäftigen würde.

Herr Norbert Müller bemerkte, dass Muslime aufgrund verschiedenster Nationalitäten in Deutschland ethnisch nicht homogen seien und daher eine islamische Identität in Deutschland elementar sei. „Wir sind Muslime in dieser Gesellschaft und wir wollen den Platz in dieser Gesellschaft finden“. sagte Herr Müller. Er fügte noch hinzu, dass die Verantwortlichen der Gemeinden erkannt hätten, dass die Muslime hier in Deutschland einen gemeinsamen Weg gehen müssten und sich nicht von den Konflikten etwaiger Herkunftsländer mitreißen lassen sollten. Herr Dr. Zekeriya Altug stimmte seinem Vorredner zu. Die Krisen in den Herkunftsländern dürften keinen Einfluss auf die in Deutschland lebenden Muslime haben. Allerdings sei die DITIB in diesem Punkt noch entwicklungsfähig. Herr Beck bemängelte, dass der Mensch nicht mehr individuell betrachtet, sondern anhand seiner Herkunft und Religion kategorisiert werde. Hinsichtlich der mangelnden Solidarität innerhalb der islamischen Gemeinden in Deutschland sagte er, dass derartige Pauschalisierungen eine Enthumanisierung der Gesellschaft seien, gegen die man vorgehen müsse.

Im Anschluss an das Podium ist auf folgende Publikumsfragen eingegangen worden:

„Man redet viel über Rechte, die man in Deutschland in Anspruch nimmt. Sollte man sich nicht auch in gewissen Zeitabständen zu Themen äußern, die die Herkunftsländer betreffen, wo diese Rechte anderen Minderheiten nicht eingeräumt werden?“

„Wie geht DITIB mit abweichenden pluralistischen Meinungen innerhalb der DITIB um?“ Herr Dr. Altug stimmte diesem Vorschlag zu und hob hervor, dass sich DITIB darum bemüht, zu möglichst allen Krisen und Übergriffen auf Gotteshäuser (Moscheen und auch Synagogen) Stellung zu nehmen und sich dazu zu äußern, was aber aufgrund der großen Menge nicht immer möglich sei. Denn DITIB muss sich auch auf politischer Verfolgungsebene, Grundrecht etc. äußern. „Da müssten wir uns noch stärker einsetzen“ fügte er hinzu. DITIB habe mehrere schriftliche Stellungnahmen, die die Gemeinden intern erhalten hätten. Als Religionsgemeinschaft möchte sich DITIP nicht über politische Agitationen äußern und solche auch nicht zulassen.

Besteht in den Augen der DITIB kein Widerspruch darin, wenn von „deutschen Muslimen“ gesprochen wird, aber die Positionierung zur Türkei/ Herkunftsländern stark ist? Menschen haben mehrere Identitäten und Empathie, was kurzfristig nicht abgeschnitten werden könnte, erläuterte Herr Altug. Weiter gab er an, dass manche Menschen, die aus anderen Ländern kommen, weiterhin Kontakt zu ihrem Land haben. Es habe keinen Zweck diesen Menschen bzgl. deren Länderzugehörigkeit eine Entscheidung treffen zu lassen. Es müsse anerkannt werden, dass Menschen vieles vereinen können. Daher sieht er darin keinen Widerspruch, sondern eine Bereicherung.

„Islamische Identität, wie kann man sich diese vorstellen?“ Herr Müller erklärte, islamische Identität in Deutschland bedeute, dass man sich aus gesellschaftlich politischer Hinsicht als Teil dieser Gesellschaft sehe und dass sich das gesellschafts-politische Engagement ebenfalls in dieser Gesellschaft entfalte. „Wir haben einen Veränderungsprozess. Islamische Religionsgemeinschaften sind in der Verantwortung, diesen in gewissen Richtungen zu fördern. Re-Ethnisierung liegt uns fern. „Dennoch sollten Muslime in Deutschland sollten z.B. gemeinsame Festtage etc. haben“ fügte er hinzu.

Weiter aus dem Publikum fragte Herr Dr. Yavuz Özoguz Herrn Volker Beck, ob es nicht eine Form von Antisemitismus sei, wenn man Juden und Israelis gleichsetzt und ob wir den Gleichheitsgrundsatz nicht nur innerhalb unseres Landes hochhalten müssen, sondern auch zu allen anderen Ländern. Zusätzlich fragte er, ob er sich vorstellen könne, dass ein Vertreter der islamischen Befreiungstheologie in eine zionistische Synagoge eingeladen wird. Des Weiteren fügte er hinzu: „Kann es sein, dass Sie die muslimischen Gemeinschaften falsch einschätzen? (Weil Deutsche-Muslime bezüglich der Besatzungspolitik Israels einer Meinung sind)“. Hierauf antwortete Herr Beck lediglich, dass es Antisemitismus sei, wenn man den einzigen jüdischen und demokratischen Staat auf dieser Welt in seiner Existenz in Frage stelle. Es sei kein Antisemitismus,wenn man sich für eine Zwei-Staaten-Lösung ausspreche, da dies wohl eine notwendige Diskussion sei. Auch kritisierte er die Besatzung, aber betonte die Legitimität besetzter Gebiete, die durch Verteidigung im Krieg errungen wurden. Antizionismus sei ebenfalls eine Form des Antisemitismus.

Zum Ende der Veranstaltung bedankte sich Herr Ayatollah Dr. Ramezani bei allen Anwesenden und Podiumsgästen und verwies auf die Bereitwilligkeit des Islamischen Zentrums Hamburgs, mit jedem in einen offenen Dialog zu treten, wie das Zentrum dies seit über 56 Jahren praktiziert. Zweifelsohne wird das IZH als ein europäisches Zentrum in jeder Hinsicht für die Sicherheit in Europa und Deutschland einstehen, betonte er und übergab das Wort an Herrn Mostafa Yoldas. Dieser zeigte sich damit zufrieden, Menschen, die gegenüber der SCHURA und dem IZH eine kritische Haltung haben, eingeladen zu haben. Er ging zum Schluss auf die Einlassungen von Herrn Beck ein, und verdeutlichte, dass er in der Lage ist, Kritik an der Besatzungspolitik und Judenfeindlichkeit auseinander zu halten. „Ich wünschte mir, dass Herr Beck diese Sensibilität auch aufbringen könnte“ fügte er hinzu. Weiter wünschte er Herrn Volker Beck, dass er weiterhin mit Muslimen im Dialog steht. Des Weiteren sei Herr Beck bereits mit Vorurteilen gekommen, welche er am Ende auch wieder mitgenommen habe. „Dennoch behaupte ich, dass diese Veranstaltung am Ende auf die Achtung von Zivilisation und Anstand hinweist, nämlich indem wir kritisch miteinander diskutiert haben und auch nahezu unberechtigte Vorwürfe und Beschuldigungen haben ertragen können, ohne aufeinander loszugehen“. Dazu beglückwünschte er die Grünen.

Außerdem bestätigte er: „Wir werden das ertragen. Demokratie fordert von uns, dass wir Dinge ertragen müssen, die uns zuwiderlaufen, aber solange wir uns die Köpfe nicht einschlagen und zivilisiert miteinander diskutieren können, ist der größte Gewinn damit heute erreicht worden“. Außerdem betonte er, wahrgenommen zu haben, welche Menschen in der Politik aktiv sind und wofür diese stehen. „Letztendlich haben wir, auch wenn Wahlen anstehen, unseren Verstand und werden dann entsprechend schauen, wer ist jemand, den Muslime wählen können und wer wiederum nicht“.

Herr Mustafa Yoldas betonte, dass der Tag keine Zeitverschwendung war, sondern ein Tag zum Dazulernen. Schlussendlich bedankte er sich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, Moderatorinnen und Moderatoren, Rednerinnen und Rednern und nahm abschließend Herrn Farid Esack in Schutz, indem er bestätigte, dass der Gastprofessor der Uni Hamburg, der die ganze dunkle Phase der Apartheit in Südafrika miterlebt hatte, wisse, wovon er spreche.

  1. Interreligiöser Frauenbegegnungstag

Die evangelische Theologin und freie Schriftstellerin Susanne Krahe erblindete vor 30 Jahren in Folge von Diabetes. Nur durch eine doppelte Organtransplantation konnte sie überleben. Sie berichtete, wie sie aus der Unterstützung ihrer Freundin und der Erfahrung, „dass Gott gerade mit den Gescheiterten ist“, für ihr neues Leben Kraft schöpfte. Houda Mobasher ist Bahaii Frau und durfte im Iran nur über eine Online Universität studieren, deren Abschlüsse nicht überall anerkannt werden. Vor vier Jahren kam sie nach Deutschland und musste bei Null anfangen und für ihre Ziele jedes Mal aufs Neue kämpfen.

Sara Streese, die der liberalen jüdischen Gemeinde in Pinneberg angehört, nennt das Beispiel von Abraham und Sara, die drei Fremde aufnehmen, sie bewirten und beschützen, ohne zu fragen, woher sie kommen und wer sie sind (Gen. 18). Ihre Gastfreundschaft sollte wegweisend für unseren Umgang mit geflüchteten Menschen heute sein. Die Muslimin Kübra Böler hat erlebt, wie es ist, wenn der eigene Körper streikt und welche Ängste es auslöst. Sie hat gelernt, Krankheit nicht als Strafe zu sehen, sondern als Chance. „Wir sollten daran denken, dass wir endlich sind und schauen, was uns wirklich wichtig ist“, war ihr Fazit.

Gudrun Steiß ist seit 25 Jahren katholische Nonne in einem französischen Orden. Sowohl seitens ihrer nicht religiösen Familie, als auch älterer französischer Menschen, die den Deutschen die Verbrechen des zweiten Weltkriegs nicht verzeihen konnten, wurde sie stets mit massiven Vorurteilen konfrontiert. Sie studierte Religionswissenschaften und versuchte die Religionen aus deren jeweiligem eigenen Selbstverständnis zu verstehen. Dadurch sensibilisierte sie sich für den Umgang mit religiösen Unterschieden. Respekt und Akzeptanz entstehen, wenn wir immer wieder in Beziehung treten, offen sind und zuzuhören.

Fatima Emari ging als Muslimin auf ein katholisches Mädchengymnasium und stellte fest, dass die Mehrheit dort keineswegs so homogen war, wie sie anfangs annahm. Das schärfte ihren Blick, genau hinzusehen. Genau und kritisch hin schaut sie auch auf unsere Gesellschaft, in der uns vorgegaukelt werde, dass wir frei und selbstbestimmt sind, es aber gleichzeitig sehr klare Vorgaben gebe, was gelingendes Leben bedeute. Als Muslima, die sich durch ihr Kopftuch öffentlich zu ihrer Religion bekennt, passt sie nicht in die vorgegebenen Raster. Sie bietet immer wieder eine Angriffsfläche. „Mut ist für mich, das zu hinterfragen und auch, die eigene Religion selbstbewusst nach außen zu zeigen.“

Die muslimische Journalistin und Publizistin Maryam Khola Hübsch erklärte anhand des Qur’anverses „Ist Allah nicht genug/ nicht Dein Genüge?“ (al-Anfal | 8:62), wie stark Gott konkret erfahrbar und fassbar und keineswegs vage und abstrakt ist. Dieses wurde ihr in ihrem Elternhaus selbstverständlich und zwanglos vorgelebt. Dieser Qur’anvers gibt ihr einen Antrieb, zu ihrem Glauben zu stehen und auch öffentlich dafür einzutreten.

Im anschließenden Gespräch mit dem Publikum ging es um die Bedeutung von Gemeinschaft und Solidarität über Religionsgrenzen hinweg, gerade auch in Bezug darauf, Vorurteilen entgegenzuwirken. Sara Streese machte deutlich, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen Jüdinnen und Musliminnen gibt, z.B. gebe es auch im Judentum Bekleidungsvorschriften. Sie engagierte sich gemeinsam mit Musliminnen an einer Protestaktion gegen das Burkini-Verbot in Frankreich und gewann so neue, wertvolle Kontakte. Beim Thema Kopftuch/Burka sei mehr Differenzierung notwendig, mahnte Fatima Emari an. Oft würde davon ausgegangen, dass Muslime Werte wie Freiheit und Gleichberechtigung nicht teilten. Houda Mobasher betonte, dass wir versuchen sollten, unsere Vorurteile beiseite zu legen und erst einmal mit den Menschen zu sprechen. Gudrun Steiß knüpfte daran an: Es gehe darum, Feindbilder abzubauen und die innere Logik der Anderen zu verstehen. Maryam Khola Hübsch betonte die Wichtigkeit des hohen Guts des Grundgesetzes, das die Religionsfreiheit beinhalte.

Nach einem muslimischen Mittagsgebet und einer ökumenischen Andacht wurden in verschiedenen Workshops die verschieden Aspekte rund um das Thema Mut vertieft. Abschließend gab es ein gemeinsames Friedensgebet. Das Programm wurde untermalt mit künstlerischen Darbietungen, wie bspw. Einem Poetry Slam von Kübra Böler und religiösen Liedern. Daneben gab es eine Verköstigung mit einem Mittags- und Kuchenbuffet.