Muslimische Bestattung in Hamburg und Deutschland

Firouz Vladi

Am 16. Mai 1941 verstarb in Hamburg der iranische Großhandelskaufmann Abbasali Pyrchad und wurde nach islamischem Ritus auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Davon zeugt ein Grabstein. Die Bestattung gab Anlass zum Erwerb dieses ersten Gräberfeldes durch in Hamburg ansässige Muslime. Per Vertrag vom 17.12.1941 erwarben Hassan Vladi, Khalil Touba und Ahmad Nikravan für die Iranisch-Mohammedanische Gemeinde für 15.300 Reichsmark bei Kapelle II (X19) 102 Grabstellen für muslimische Bestattungen. Als nach Kriegsende 1952 wieder ein iranisches Generalkonsulat in Hamburg eröffnete, wurde diesem die Rechtsausübung übertragen. Im Laufe Jahrzehnte erfolgten weitere Nutzungen bis zur vollständigen Belegung mit ca. 150 Bestattungen. Später entstanden weitere islamische Gräberfelder in Ohlsdorf bei Kapelle 13 und auf anderen Hamburger Friedhöfen.

Der Grabstein des Abbasali Pyrchad dürfte heute das älteste Dokument islamischer Existenz in Hamburg sein. Dieses islamische Gräberfeld ist nach dem „Türkischen Friedhof“ in Berlin / Neukölln das älteste seiner Art in Deutschland. Der 75. Jahrestag war daher eine gute Gelegenheit, um ins öffentliche Bewusstsein zu rufen, dass die Anfänge muslimischen Lebens in Hamburg schon in die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurückreichen, also der Islam hier eine viel längere gesellschaftliche Anwesenheit aufweist als gemeinhin angenommen, wie auch die Geburtsdaten auf den Grabsteinen aus der vorletzten Jahrhundertwende belegen; ebenso zeigt dies auf, welche gesellschaftlichen Veränderungen das muslimische Leben im Laufe der Jahrzehnte erfahren hat.

Dieses historische Gräberfeld steht aber auch für die Leistungen der muslimischen Kaufmannsgemeinde für das Wirtschaftsleben der Hansestadt und deren Beteiligung am Wiederaufbau Hamburgs nach dem 2. Weltkrieg. In Zeiten der Not haben sie Nahrungsmittel in großem Umfange aus dem Ausland importiert und mit dem Export von Industriegütern zum Wirtschaftswachstum beigetragen.

Viele der hier angelegten Gräber haben heute keine Angehörigen mehr und drohten und drohen heute bereits zu verwildern. Schon vor wenigen Jahren hatte die Friedhofsverwaltung zu weiteren Anstrengungen in der Pflege dieses auf Friedhofsdauer angelegten Gräberfeldes gemahnt. Es sind daraufhin einige muslimische Kaufleute in diese Bresche gesprungen und haben mit namhaften Spenden für Instandsetzung und Pflege gesorgt. Möge Allah ihre Spenden reichlich segnen!

Damit das Grabfeld X19 als Ganzes aber auf Dauer erhalten bleiben kann, verpflichteten sich die Nachfahren und Freunde der dort bestatteten muslimischen Hamburger durch die unlängst erfolgte Bildung eines Fördervereins, dauerhaft für eine geordnete Pflege und ggf. Neugestaltung zu sorgen. Die Vereinsarbeit ist gut angelaufen, alle Formalien sind erfüllt und für steuerbegünstigte Spenden können Quittungen ausgestellt werden. Wer mag, möge Mitglied werden! Ein Infopavillon wird gerade errichtet und der neu gebildete Förderverein wird in Abstimmung mit der Friedhofsverwaltung und anderen Partnern die Modalitäten der künftigen Nutzung festlegen.

Alle weiteren Informationen beim Förderverein Iranisch-Islamisches Gräberfeld Ohlsdorf e.V.

Dipl. Geol. Firouz Vladi (Vorsitzender),
Kontakt: fvladi@t-online.de
Spendenkonto: IBAN DE86 2005 0550 1192 1048 16

Muslimische Bestattungsvorschriften in Kürze

Es sind nur Erdbestattungen erlaubt und dies nur auf einem Grabfeld unter anderen Muslimen. Zu den Vorschriften und religiösen Pflichten gehören die rituellen Waschungen in der Regel von den nächsten Verwandten (eine Frau wäscht eine Frau, ein Mann einen Mann), das Einhüllen in die vorgeschriebenen Leichentücher, weiße Leinen oder Baumwolltücher, als Symbol dafür, dass die Toten ganz Gott gehören; die Verrichtung des rituellen Totengebets; die Bestattung des Leichnams liegend auf der rechten Körperseite mit dem Gesicht nach Mekka, entsprechend die Ausrichtung der Grabanlage mit dem Kopf nach Südwesten; die Bestattung eines Toten in einem Zeitraum von 24 Stunden, spätestens 48 bis 96 Stunden, sowie die Gewährleistung des ewigen Ruherechts.

Grundsätzliches

Bestattungsriten sind prägende Merkmale aller menschlichen Kulturen. In ihnen drücken sich die Beziehungen zwischen den Generationen und vor allem die Beziehung zum Jenseits aus. Bestattung ist mehr als die Beseitigung der Leiche; Bestattung ist zutiefst Ausdruck religiöser Vorstellung. Über die frühe Kulturgeschichte der Menschheit ist uns meist nur durch die Erforschung der Gräber Kenntnis gegeben. Auch das heutige Bestattungswesen muss dieser vorrangig religiösen und kulturellen Bindung Rechnung tragen. Im säkularen Staat soll das Bestattungsrecht der Umsetzung dieser Bindungen im Lichte der Religionsfreiheit und der staatlichen Schutzgarantie für die freie Ausübung der Religion nach Art. 4 GG wertneutral und gleichberechtigt die notwendigen Freiräume sichern.

Christen, Juden und Muslime bilden die ganz überwiegende Mehrheit im Lande und die Religionsgemeinschaften haben in ihren theologischen Fundamenten verwandte Jenseitsvorstellungen. Dazu gehören der Auferstehungsglaube mit der Folge der Körperbestattung, die Totenruhe bis zum jüngsten Tag, die Ausrichtung der Grablage und das Gebet mit der Anempfehlung des Verstorbenen an die göttliche Gnade bis zum jüngsten Tag im Jenseits. Auch die Zuordnung des Friedhofes („Kirch“hofes) nach Lage und Trägerschaft ist Teil dieses Kontextes.

Islamische Grabfelder in Deutschland heute

Um allen Bedürfnissen der Muslime entgegen zu kommen, ist 1998 in Hamburg die Bestattungsverordnung so geändert worden, dass in Ausnahmefällen ein Toter auch ohne Sarg beigesetzt werden kann. Gleichzeitig hat der Friedhof Räumlichkeiten für rituelle Waschungen geschaffen. Beisetzungen nach islamischem Ritus in Hamburg sind seit 1978 auch auf dem Friedhof Öjendorf möglich. Um Fragen der islamischen Bestattungsmöglichkeiten in Hamburg zu beantworten, hat die Stadt 1999 ein Informationsfaltblatt in deutscher, türkischer und persischer Sprache herausgegeben, das bei der Umweltbehörde und direkt beim Friedhof Ohlsdorf zu erhalten ist.

Mittlerweile setzen sich sowohl die katholische Kirche als auch evangelische Gemeinden dafür ein, dass den Muslimen eigene Friedhöfe oder besondere Grabfelder auf Kirchhöfen bzw. evangelischen Friedhöfen mit Monopolstellung zur Verfügung gestellt werden. Und seit einigen Jahren findet man in Deutschland immer mehr Friedhöfe mit islamischen Gräberfeldern. Einige Beispiele: In Berlin der älteste türkische Friedhof von 1866 am Neuköllner Columbiadamm und ab 1988 der Landschaftsfriedhof Gatow, wo mehr als die Hälfte der hier Begrabenen Kinder sind; in Marburg die Abteilung für Muslime auf dem städtischen Friedhof und in Karlsruhe das muslimische Gräberfeld auf dem Hauptfriedhof; außerdem in den Städten Paderborn, Osnabrück, Hannover, Braunschweig, Göttingen, Mainz, Goslar, Kiel, Osterode am Harz, Lübeck, Saarbrücken und weiteren.

So zählt zum Beispiel einer der beiden wichtigsten Bestatter der Hansestadt im Durchschnitt 5 bis 15 Überführungen und 5 bis 10 Beisetzungen monatlich. Jährlich finden allein aus Hamburg rund 200 Überführungen in die Türkei statt, dazu etwa 50 in den Iran, etwa eben so viele nach Nordafrika und nur 1% nach Afghanistan, wohin es zeitweise kaum Flugmöglichkeiten gab; eine Überführung nach Istanbul kostet um die 1.500 bis 2.500 €, eine Beisetzung hier 2.000 bis 3.000 €.

Muslimische Bestatter

Nach Schätzung von Eyüp Mermertas, des Dienstältesten von inzwischen mehreren türkischen Bestattern in Niedersachsen, werden bis zu 90% der in Deutschland gestorbenen türkischen Muslime in die Türkei überführt, aber das nicht wegen der deutschen Sargpflicht. Entscheidend ist, dass viele Angehörige Angst haben, dass nach 20 Jahren der Bagger kommt und das Grab einebnet. In türkischen Dörfern ist es dagegen auf unbegrenzte Zeit vergeben. Rund 1.800 € kosten Überführung und Beerdigung in der Türkei. Aber Gottes Erde ist die ganze Welt. Ein islamisches Gräberfeld ist nicht „geweiht“ und kein Land ist dessen unwürdig, dass sich ein Muslim dort bestatten ließe. Bestattungspatriotismus ist mit dem Islam nicht zu vereinbaren. Und so nimmt auch die Zahl der Überführungen sehr allmählich ab.   

Das größte muslimische Gräberfeld Niedersachsens liegt auf dem Friedhof Hannover Stöcken. Das vom Islam geforderte ewige Ruherecht gibt es hier aber noch ebenso wenig wie einen Raum zur Totenwaschung. Aus Behördensicht treten andere Schwierigkeiten auf, schreibt 2002 Stephanus Fischer, zuständig für die städtischen Friedhöfe in Hannover: „Häufig werden Grabmale verwendet, die den Gestaltungsvorschriften bei weitem nicht entsprechen. Genauso deutlich weicht die gärtnerische Gestaltung von den allgemeinen Vorstellungen ab. Die bei uns übliche intensive Grabpflege ist den Muslimen eher fremd.“

Nach Hergen Hillen, Sozialwissenschaftler und Kriminologe aus Hamburg, war es noch bis ins 19. Jahrhundert in Deutschland üblich, Verstorbene ohne Sarg in einem Leichentuch zu bestatten. Der Sarg diente lediglich für den Transport bis zum Grab und war für eine Erdbestattung über Jahrhunderte den Angehörigen aus gehobenen Gesellschaftsschichten vorbehalten. Die Sargpflicht wurde vor allem aus seuchenhygienischen Gründen eingeführt, um im Falle von austretenden Krankheitskeimen den Gefahren von Ansteckungen vorzubeugen. Dies geschah zu einer Zeit, als Kirchhof und Hausbrunnen noch in enger räumlicher Nachbarschaft lagen. Es handelte sich folglich um eine Vorsichtsmaßnahme, die aufgrund des medizinischen und technischen Fortschritts, z.B. der zentralen Trinkwasserversorgung über Rohrleitungen, mittlerweile nicht mehr zeitgemäß ist. Dies belegen auch deutlich die jüngeren Untersuchungen von Schoenen und Albrecht (2003) in Bezug auf die Entstehung und Ausbreitung von pathogenen Keimen in Grab und Grundwasser.

In den 60er Jahren erfolgte eine große hydrogeologische Studie zur Qualität des Hamburger Grundwassers. Auf dem Gebiet des Großfriedhofes Ohlsdorf war eines der besten Grundwasservorkommen verzeichnet worden. Offensichtlich wirkt sich der Abbau der organischen Substanz nur oberflächennah und nicht schädlich auf das Grundwasser aus. Wasserrechtlich ist die Anlage oder der Betrieb von Friedhöfen und Grabplätzen innerhalb der Zone 2 einer Trinkwassergewinnungsanlage (50 Tagelinie) ohnehin ausgeschlossen. Diese Feststellung ist im Hinblick auf die sargfreie Bestattung von Bedeutung. Unter suboptimalen Bedingungen kann die Verwesung ohne Sarg geringfügig länger dauern; doch ist dies nur für die üblichen begrenzten Ruhefristen von etwa 25 Jahren relevant.

Allerdings ist die Sargpflicht im Bestattungsrecht der meisten Bundesländer noch vorgesehen. Die für das Bestattungsrecht zuständigen Bundesländer haben sich bisher schwer damit getan, Muslimen ein Begräbnis nach islamischen Vorschriften zu ermöglichen. Ausnahmeregelungen gibt es z.B. seit 1972 in Essen und 1979 in Aachen. Weitere Städte folgten in den 90er Jahren mit Regelungen nur für ortsansässige Muslime. 1998 schaffte, wie schon erwähnt, Hamburg als erstes Bundesland die Sargpflicht ab. Nordrhein-Westfalen und das Saarland folgten 2003, Niedersachsen – mit deutlichen Einschränkungen 2005. Schleswig-Holstein, Sachsen und Thüringen wollen mit einer geplanten Aufhebung der Sargpflicht dem Einzelnen eine größere Entscheidungsfreiheit bei Bestattungen einräumen und andere kulturelle Bestattungsriten berücksichtigen. Dass im Lichte heutigen Standes pathologischer und grundwasserhygienischer Forschung und Wissenschaft unter Berücksichtigung der rituell längeren bis unbegrenzten Ruhefristen muslimischer Gräber der Gesetzgeber in den meisten Bundesländern an der Sargpflicht festhält und die Befreiung nur im hygienisch unbedenklichen Ausnahmefall zulässt, dürfte also weniger mit sachlichen Erwägungen begründet sein.

Zu den theologischen Grundlagen

„Jedes Lebewesen wird den Tod kosten, und ihr werdet erst am Tage der Auferstehung euren vollen Lohn erhalten.“ (Al-i-Imran | 3:186)

So wie ein gutes Bestattungsrecht mehr ist als ein effizientes Leichenmanagement, so ist der Tod mehr als das Ende biochemischer Lebensprozesse. Geburt, Leben und Tod sind Wegmarken des Menschen auf seinem Weg zu Gott: Wa inna lillahi wa inna ilayhi radschi’un, wir stammen von Gott und kehren zu Gott zurück.

„O ihr Menschen, wenn ihr über die Auferstehung im Zweifel seid, so bedenket, dass Wir euch aus Erde erschaffen haben, dann aus einem Samentropfen, dann aus einem Embryo, dann aus einem Fötus gestaltet und nicht gestaltet, um es euch deutlich zu machen. Und Wir lassen, was Wir wollen, im Mutterleib auf eine festgesetzte Frist ruhen. Dann lassen Wir euch als Kind herauskommen.“ (Al-Haddsch | 22:5).

Der Mensch ist ein Geschöpf Gottes, so wie alle Schöpfung und damit alles menschliche Leben auf Ihn zurückgeht. Der materielle Körper wird erst durch die Einhauchung der Seele zum Leben gebracht, genauso wie der erste Mensch zuerst aus Erde geformt wurde, Gott ihm dann von seinem Geiste einblies und er lebendig wurde (al-Hidschr | 15:28f). Wie das Leben aber von Gott gegeben wurde, wird es auch wieder von ihm genommen. Der Tod ist nichts Unnatürliches, er gehört zur Bestimmung eines jeden Menschen.

Genauer: der Tod markiert das zeitliche Ende einer befristeten Gottesgabe, des Lebens. Und so ist der rechte Gottesdienst Dank für die Gabe, niemals Verlangen nach mehr. Was und wer wären denn Maßstab für ein Mehr? „Und Wir haben für keinen Menschen vor dir bestimmt, ewig zu leben. … Jeder wird den Tod erleiden.“ (Sure 21, 34). Wie der Mensch durch die Einhauchung der Seele belebt wird, so tritt im Tod wieder eine Scheidung der Seele vom Leib ein. Der Todesengel Izra’il tritt nach islamischer Tradition in der Todesstunde an einen Menschen heran und nimmt ihm die Seele weg, sodass er stirbt. Die Todesstunde und der Todesort sind von Gott schon vor der Geburt eines Menschen vorherbestimmt.

Die Auferstehung der Toten und das Gericht gehören wesentlich zum islamischen Glaubensgut, wovon viele Qur’anverse zeugen: „Dies, weil Gott die Wahrheit ist, und weil Er die Toten lebendig macht und weil Er Macht hat zu allen Dingen, und weil die Stunde kommt an der kein Zweifel möglich ist, und weil Gott (all) die erwecken wird, die in den Gräbern sind.“ (Sure 22, 6f.) Und so endet die Gottesgabe Leben nicht mit dem Tod; er ist der Eintritt in den vom Gläubigen ersehnten gottnahen Zustand.

Was geschieht mit der Seele? Und sie befragen dich über die Seele. Sprich: „Die Seele ist eine Angelegenheit meines Herrn; und euch ist vom Wissen nur wenig gegeben.” (Al-Isra’ Bani Isra’il | 17, 85). Kommentatoren erklären zu diesem an den Propheten (s.) gerichteten Qur’anvers, dass der Geist bzw. die Seele zu einem Bereich der Schöpfung gehört, der jenseits menschlicher Wahrnehmung liegt. Es ist daher müßig, über diesen Bereich zu spekulieren, da es keine authentischen Quellen gibt, auf die sich jegliche Interpretation abstützen könnte.

Auf Grund dieses Qur’anverses kann es zu keinem Erfolg führen, wenn man außerhalb der qur’anischen Aussagen und der authentischen Überlieferungen des Propheten darüber weitere Überlegungen anstellen wollte. Wir wissen nur, dass sich die Seele zum Zeitpunkt des Todes von ihrem Körper trennt und in einen anderen Zustand des Seins übergeht. Wo oder wann das geschieht, ist uns nicht bekannt. Jedenfalls befinden sich die Seelen von Gläubigen in einem glückhaften Zustand und die von Ungläubigen im Elend.

Im Islam wird dennoch über einige konkrete Vorstellungen über das Geschehen nach dem Tod, die Auferstehung der Toten und das Gericht berichtet. Alsbald im Grab treten zwei Engel zum Verstorbenen und fragen: Wer ist dein Gott? Wer ist dein Prophet? Welches ist deine Religion? Welches ist deine Gebetsrichtung? Kennt der Verstorbene die richtigen Antworten: Gott, Muhammad, der Islam, Mekka, so erhält er von den Engeln die Bestätigung seiner künftigen Erlösung und Belohnung im Paradies. Im Anschluss folgt die „Wartezeit“ (Barzach) bis zum Endgericht.

Doch was ist im Jenseits eigentlich „Zeit“? Islamische Jenseitsvorstellungen sind in konkreten, teils massiven Bildern gezeichnet; Bilder, die der Christenheit eines Hieronymus Bosch um 1500 vertrautes Glaubensgut waren, sind dem modernen Christen Mittel- und Nordeuropas abhanden gegangen. Was ist an die Stelle der Bilder vom Strafgericht getreten?

Der Islam will im Leben, im Sterben und im Tod den gläubigen Muslim auf den rechten Weg leiten. Qu’ran und Sunnah (prophetische Tradition) geben Verhaltensregeln beim Sterben und beim Tod eines Muslims, der sein Leben auf Gott ausgerichtet hat.

Der Mensch soll in seiner Todesstunde nicht allein gelassen werden, seine Angehörigen und rechtschaffene Gläubige begleiten ihn. Sie beten für ihn und gemäß prophetischer Überlieferung sprechen sie Gutes: „Wenn ihr bei einem Sterbenden zugegen seid, dann sprecht Gutes, denn den Engeln wird das anvertraut, was ihr sagt.“ Sie sollen ihm auch Vertrauen geben und Gottes Liebe ins Bewusstsein rufen, wie Muhammad empfohlen hat: Keiner soll sterben, ohne eine gute Meinung von Gott zu haben, dass Er sich seiner erbarmt und ihm vergibt.“

Die Anwesenden rezitieren leise die Sure Ya-Sin (36); sie hat an mehreren Stellen die Auferstehung der Toten zum Inhalt, will den Sterbenden auf den Tod vorbereiten und ihm Hoffnung auf die Auferstehung geben: „Preis sei dem, in Dessen Hand die Herrschaft über alle Dinge ist und zu Dem ihr zurückgebracht werdet!“ Muhammad (s.) sagte in einem allerdings schwachen (da’if) Hadith: „Ya Sin ist das Herz des Korans. Keiner, der nach Gott und der jenseitigen Wohnstätte trachtet, rezitiert sie, ohne dass Gott ihm vergibt. Rezitiert sie über eure Sterbenden.“

Dem Sterbenden spricht man sodann das Bekenntnis der Einzigkeit Gottes: „Es gibt keinen Gott außer Gott und Muhammad ist Sein Gesandter“ leise vor, auf das er es nachspreche; es sollen seine letzten Worte vor dem Tod sein. Muhammad (s.) sagte: „Wer als letzte Worte sagt: ‚Es gibt keinen Gott außer Gott’, geht ins Paradies ein.“ Ist der Mensch gestorben, sollen seine Augen verschlossen werden; denn der Prophet sagte, als er zu dem gerade verstorbenen Abu Salama ging: „Wenn die Seele entnommen ist, dann ist das Sehen dran.“

Gemäß dem Worte Muhammads (s.): „Beeilt euch mit dem Begräbnis“ soll unmittelbar mit den Vorbereitungen für die Beisetzung begonnen werden. Das Begräbnis soll möglichst am selben Tage erfolgen. Die Bedeutung dieser Überlieferung muss vor dem Hintergrund der bislang stark überwiegenden Rückführung in die Herkunftsländer diskutiert werden. Etwaige Schulden des Verstorbenen sollten unverzüglich beglichen werden. Der Prophet (s.) wurde einmal zum Totengebet gerufen. Er lehnte es aber ab, das Totengebet zu halten: der Tote hatte noch Schulden. Nach deren Tilgung hat der Prophet (s.) das Totengebet geleitet. So ist es im Islam nicht nur Brauch, vielmehr ist es ein Recht eines Muslims, dass er von seinen muslimischen Brüdern während der Bestattung begleitet wird und dass sie für ihn beten und zu seinen Gunsten Bittgebete verrichten.

Gute Sitte beim Grabgeleit aber ist, zu schweigen und nicht zu lachen, sondern eine Mahnung für sich selbst daraus zu ziehen und über das eigene Sterben nachzudenken. A‘masch sagt: „Ein Gottesmann sagte, als einst einige Leute einen Toten betrauerten: ‚Trauert lieber über euch, denn er ist schon von drei Schrecknissen erlöst: Das Angesicht des Todesengels hat er gesehen, die Bitterkeit des Sterbens hat er gekostet und die Angst vor dem Ende hat er überwunden.’“ Totenklage und lautes Wehklagen, insbesondere der Typus der Klageweiber, werden als vorislamische Sitten bzw. Unsitten abgelehnt. Trauer und Weinen über den oder die Toten sind erlaubt.

Zu den Bestattungsriten

Die Riten sind innerhalb der gesamten islamischen Welt erstaunlich einheitlich; einige geringfügige Differenzen ergeben sich nach den fünf großen islamischen Rechtsschulen. Diese wurden in der Arbeit von Albert Nader (1968) behandelt, wenn auch mit einigen Ungenauigkeiten. In der vorliegenden Abhandlung sind die generellen Linien aufgezeigt.

Wenn ein Muslim stirbt, dann muss man sich beeilen, den Verstorbenen zu waschen. So wie der Mensch zum Gebet gereinigt vor seinen Schöpfer tritt, so soll er es auch in der Vorerwartung zum Tag des Jüngsten Gerichtes tun. Es wird überliefert: als eine Person im Zustand des Ihram war, also während der Haddsch, fiel dieser von seinem Reitkamel und verstarb. Der Prophet (s.) befahl, den Toten mit Wasser und Lotusblättern zu waschen. Als Zainab, die Tochter des Propheten (s.), starb, bat er die Frauen, sie zu waschen.

Eine Waschung erfolgt zumindest dreifach, eine ungerade Zahl. Dazu nimmt man Wasser mit einem Reinigungsmittel, etwa Seife, und fügt Kampfer und Wohlgerüche hinzu (Misk). Die Aura des Toten, das ist beim Manne der Bereich zwischen dem Bauchnabel und den Knien, muss verdeckt sein. Ist eine Frau gestorben, wird ein etwa vorhandener Haarzopf entflochten und gekämmt. Vielfach werden dann zur Grablegung drei Zöpfe geflochten.

Männer werden von Männern gewaschen und Frauen von Frauen. Auch kann eine Ehefrau ihren Ehemann waschen und umgekehrt. Und wer als Märtyrer stirbt, wird nicht entkleidet und nicht gewaschen. Die Toten werden nicht geschminkt oder in sonst besonderer Weise zurechtgemacht, auch nicht einbalsamiert. Lediglich die Körperöffnungen können verschlossen werden, etwa mit Watte. Wer einen Toten wäscht, unterliegt zu allem, was er bei dem oder der Verstorbenen gesehen hat, der Schweigepflicht. Von Gott erhält man für die Waschung eines Leichnams eine gute Belohnung; doch muss man sich selber vergewissern, dass diese gute Tat allein für Gott verrichtet wird.

Der Prophet (s.) sagte: „Wer einen verstorbenen Muslim wäscht und nicht sagt, was er gesehen hat, dem verzeiht Gott vierzigfach. Und wer für einen Verstorbenen ein Grab gräbt, der findet eine gute Wohnstatt im Paradiese vor, und wer ihn in Leichentücher wickelt, dieser wird in die Gewänder des Paradieses gekleidet.“

Nach dem Waschen wird die Leiche in zumindest zwei saubere weiße Leichentücher gewickelt, die groß genug sind, um die Leiche komplett zu umschließen; diese Tücher sollen Eigentum des Verstorbenen oder seiner Familie sein bzw. aus dem Nachlass erworben werden. Möglichst werden von Männern schon zu Lebzeiten die beiden Ihram-Tücher, die während des Weihezustandes auf der Haddsch in Mekka getragen wurden, zu diesem Zwecke aufgehoben. Der Leichenwäscher soll sich selbst sodann einer Ganzwäsche (Ghusl) unterziehen. Wer die Leiche zu Grabe getragen hat, sollte sich ebenfalls reinigen (Abdest). Generell gilt, dass man bei der Waschung und Beerdigung den Aufwand nicht übertreiben soll. Das eingesparte Geld bedürftigen Lebenden zu geben, ist ein gottgefälliges Werk.

Eine Aufbahrung des Leichnams ist unüblich. Der Leichnam soll möglichst von den männlichen Angehörigen zu Grabe getragen werden. Der Prophet (s.) sagte: „Wenn jemand von euch einen Trauerzug sieht und selbst nicht an ihm teilnimmt, so soll er aufstehen und warten, bis dieser an ihm vorbeigegangen oder die Totenbahre abgesetzt worden ist.“ Diesen Respekt sollen wir nach Weisung des Propheten allen zeugen; denn einmal sagten Umstehende zu ihm, dass es sich bei der Leiche um einen Juden handele, doch er sagte nur: „Wenn ihr einen Trauerzug seht, dann steht auf!“

Das Totengebet wird als rituelle Pflicht und als Gemeinschaftsgebet in oder vor der Moschee oder an einem besonderen Platz hierfür – gelegentlich auch am Grab verrichtet. Entsprechend wird der aufgebahrte Leichnam mit dem Gesicht zur Qibla, also nach Mekka ausgerichtet. Die Betenden, Angehörige und andere, stehen in einer Reihe hinter dem Vorbeter und verrichten das Gebet stehend. Das Totengebet enthält dementsprechend weder Ruku noch Sadschda (Verbeugung und Niederwerfung), denn diese gelten nur Gott. Nach dem Gebet wird der Tote zur letzten irdischen Ruhestätte getragen, in der Regel übernehmen dies die männlichen Angehörigen. Am Grab sollte man ein Bittgebet (du’a) sprechen; so sprach der Prophet (s.) am Grabe Abu Salamas: „O Gott, verzeihe ihm, o Gott, mache sein Grab weiter, o Gott, erleuchte sein Grab.“

Der Glaube an das Jenseits, die Auferstehung der Toten und den Tag des Gerichts (yaum ad-din) hat die ausschließliche Körperbestattung zur Folge. Leichenverbrennungen und Urnenbestattungen kennt der Islam deshalb nicht, auch nicht die einbalsamierte Bettung in Sarkophagen. Die Beisetzung erfolgt auf einer Fläche, auf der nur Muslime bestattet werden; hiervon erlauben die Rechtsschulen keine Ausnahme. Grabfelder anderer Religionsgemeinschaften sollen möglichst durch eine Hecke o.ä. wirksam abgegrenzt werden. Evtl. bei Grabaushub anzutreffende Restgebeine aus nichtislamischer Vornutzung sollen eingesammelt und extern in einer Knochengrube gesammelt werden. Im Falle muslimischer Grabfelder auf kirchlichen Friedhöfen soll beachtet und vereinbart werden, dass für solche Flächen kein Anspruch auf christliche Verkündigung erhoben wird.

Das Grab wird in seiner Ausrichtung so ausgehoben, dass der oder die Tote leicht auf der rechten Seite liegend das Gesicht zur Qibla, also gen Mekka wendet. Das wäre im mittel- und norddeutschen Raum etwa 132° SE. So zeigt sich die Gemeinschaft der Gläubigen im Gebet wie im Grab, wo der Tote auf das Haus Gottes ausgerichtet ist.

Das Grab wird schlicht gehalten und üblicherweise mit zwei kleineren Steinen am Kopf und Fußende in der Lage gekennzeichnet. So soll vermieden werden, dass andere über das Grab treten. Ein schlichter Grabstein mit Namen und Daten wird gesetzt. Die Totenruhe soll nicht gestört werden, auch nicht durch Grabaufbauten oder besonderen Schmuck. Der Tod des Gläubigen ist ja nur eine Übergangsphase zum besseren Leben im Jenseits. So bietet die Beerdigung neben dem Totengebet keinen sinnvollen Raum für auffällige Zeremonien.

Nach sagte der Prophet (s.): „Es ist einer Frau, die an Gott und den jüngsten Tag glaubt, nicht erlaubt, um einen Toten länger als drei Tage zu trauern, mit Ausnahme des eigenen Ehemannes, um den sie vier Monate und zehn Tage trauern soll.“ Gemeint ist die förmliche Trauerzeit, nicht die Trauer im Herzen. Und er sagte ebenfalls: „Zu uns (den Muslimen) gehört nicht derjenige, der seine Wangen schlägt, sein Hemd zerreißt und das Brauchtum der Jahiliyya (der vorislamischen Zeit der Unwissenheit) heraufbeschwört.“ Diese förmliche Trauerzeit für den/die Hinterbliebene(n) ist auch die Karenzzeit für eine Wiederverheiratung. Für die Tage nach dem Todesfall ist es vielerorts üblich, dass das Trauerhaus sich der Bewältigung des Todesfalles widmen kann; dazu wird die hinterbliebene Familie von Nachbarn und Verwandten mit Speisen versorgt.

Zu islamischen Festtagen oder anderen Anlässen sollen die Gräber durchaus besucht werden. Dies ist eine Gelegenheit, für den Toten Bittgebete an Gott zu richten und sich der Begrenztheit und Verantwortung des eigenen Lebens zu erinnern. Muhammad (s.) pflegte am Grab zu beten: „Friede mit euch, ihr Leute des Grabes, von den Gläubigen und den Muslimen. Wir werden, so Gott will, mit euch sein. Wir bitten Gott, uns und euch zu vergeben. Friede mit euch, ihr Leute der Gräber. Gott möge uns und euch vergeben. Ihr seid vorausgegangen und wir folgen euch nach.“

Alle Muslime stimmen darin überein, dass Gräber und Friedhöfe nicht beseitigt werden dürfen. Sie sind auf Dauer angelegt. Die Wiederbelegung einer Grabstelle ist mithin nur möglich, wenn sich vom Vorgänger nichts mehr findet. Geringe Reste können ggf. etwas tiefer gebettet und die eigentliche Grablage neu belegt werden, möglichst im Rahmen der Familie, jedenfalls nur durch Muslime. Dennoch ist die Gestaltung von Gräbern in der islamischen Geschichte und Geographie stark diversifiziert.

 

Niedersachsen: Wie geht es weiter?

Niedersachsen hat sich ein neues Bestattungsrecht in Gestalt eines modernen und säkularen Bestattungsmanagements gegeben. Der erste Entwurf enthielt eine Befreiung von der Sargpflicht als Einzelfallregelung; das Gesetz hat dies genereller geregelt, verschließt aber den Muslimen weiterhin die Tür zu eigener Friedhofsträgerschaft. Hier besteht noch Entwicklungsbedarf.

In der Abschlussberatung des Landtages heißt es sehr klar: „Ferner wollten wir auf jeden Fall erreichen, dass eine Bestattung auch nach einem muslimischen Ritus möglich ist. Das wird nun der Fall sein. Wir schreiben zwar den Sarg vor. Er kann in Ausnahmefällen aber durchaus offengelassen werden. Damit ist eine Bestattung nach einem muslimischen Ritus möglich.“ Dazu im Einzelnen (Gesetzestext kursiv):

Sargfreie Bestattung

Erdbestattungen sind nur in geschlossenen feuchtigkeitshemmenden Särgen und nur auf Friedhöfen (§ 2 Abs. 4, § 19 Abs. 1 Satz 2) zulässig. Die untere Gesundheitsbehörde kann Ausnahmen von der Sargpflicht nach Satz 1 zulassen, wenn in der zu bestattenden Person ein wichtiger Grund vorliegt und ein öffentlicher Belang nicht entgegensteht (§ 11). „Im Ergebnis gestattet es“, so das MS mit Mitteilung vom 30.12. 2005, „der Ausnahmetatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 2 BestattG den unteren Gesundheitsbehörden bei entsprechenden hygienischen Gegebenheiten, dem Friedhofsträger Dispens von der Sargpflicht zu erteilen, der in die Friedhofssatzung Eingang finden kann, so dass z.B. Grabfelder für Angehörige von Glaubensrichtungen angelegt werden können, die nicht in einem Sarg bestattet werden. Damit bleibt eine schon nach bisherigem Recht auf einzelnen Friedhöfen geübte Praxis auf einer nun gesicherten rechtlichen Basis weiterhin zulässig.“ Danach ist es jetzt, soweit die Initiative nicht besser unaufgefordert von der Kommune ausgeht, Aufgabe der Muslime, im Einzugsgebiet eines Friedhofträgers, über eine entsprechende Satzungsregelung zu verhandeln. Das Gesetz sieht übrigens keinen Nachweis zwingender ritueller Notwendigkeit vor. Folgt man den Untersuchungen von Schoenen und Albrecht (2003), wird sich eine Sargpflicht hygienerechtlich kaum begründen lassen. In Bezug auf die weit längeren Ruhefristen ergibt sich dies auch aus den Darlegungen von Hartmann und Kijewski (2008). Wird die Sargfreiheit verweigert, wird dies Gegenstand weiterer und unabhängiger gutachtlicher Prüfung sein müssen. Da die Sargfreiheit gesetzlich ermöglicht ist und die Bestattung bzw. der Friedhofsbetrieb Aufgabe der allgemeinen öffentlichen Daseinsvorsorge ist, wird die ggf. (boden-)gutachtliche Vorbereitung der Sargfreiheit bzw. die Herrichtung einer entsprechenden islamischen Grabfläche in den Aufgabenkreis der Gemeinde fallen. Eine Abwälzung der Gutachterkosten auf die muslimische Gemeinde ist nicht statthaft.