Qur’an-Exegese – al-Baqarah – Vers 143

وَ كَذَلِكَ جَعَلْنَاكُمْ أُمَّةً وَسَطاً لِتَكُونُواْ شُهَدَاء عَلَى النَّاسِ وَ يَكُونَ الرَّسُولُ عَلَيْكُمْ شَهِيدًا وَ مَا جَعَلْنَا الْقِبْلَةَ الَّتِي كُنتَ عَلَيْهَا إِلاَّ لِنَعْلَمَ مَن يَتَّبِعُ الرَّسُولَ مِمَّن يَنقَلِبُ عَلَى عَقِبَيْهِ وَ إِن كَانَتْ لَكَبِيرَةً إِلاَّ عَلَى الَّذِينَ هَدَى اللّهُ وَ مَا كَانَ اللّهُ لِيُضِيعَ إِيمَانَكُمْ إِنَّ اللّهَ بِالنَّاسِ لَرَؤُوفٌ رَّحِيمٌ

Transliteration

Wa Kadhalika Ja`alnākum ‚Ummatan Wasaţāan Litakūnū Shuhadā’a `Alá An-Nāsi Wa Yakūna Ar-Rasūlu `Alaykum Shahīdāan ۗ Wa Mā Ja`alnā Al-Qiblata Allatī Kunta `Alayhā ‚Illā Lina`lama Man Yattabi`u Ar-Rasūla Mimman Yanqalibu `Alá `Aqibayhi ۚ Wa ‚In Kānat Lakabīratan ‚Illā `Alá Al-Ladhīna Hadá Al-Lahu ۗ Wa Mā Kāna Al-Lahu Liyuđī`a ‚Īmānakum ۚ ‚Inna Al-Laha Bin-Nāsi Lara’ūfun Raĥīmun

Übersetzung

Und so haben Wir euch zu einer Gemeinschaft der Mitte gemacht, damit ihr Zeugen gegenüber anderen Menschen seid und damit der Gesandte für euch Zeuge sei. Wir hatten die Gebetsrichtung, die du einhieltest, nur bestimmt, um zu wissen, wer dem Gesandten folgt und wer auf den Fersen umkehrt. Und es ist wahrlich schwer außer für diejenigen, die Allah rechtgeleitet hat. Aber Allah lässt nicht zu, dass euer Glaube verloren geht. Allah ist zu den Menschen wahrlich Gnädig, Barmherzig.

Erläuterung

Ebenso wie Mäßigkeit und Selbstbeherrschung seitens der Denker auf dieser Welt lobenswerte und wünschenswerte Eigenschaften sind, werden sie auch in den Lehren des Qur’an bestätigt; die Lehren des Qur’an laden die menschliche Gesellschaft auf ihrem Weg zur Vervollkommnung dazu ein. Die Mäßigkeit zählt zu den außergewöhnlichen und bedeutenden Wegen der göttlichen Weltanschauung und Ideologie; sodass der allmächtige Gott das islamische Volk in diesem 143. Qur’anvers der Sure al-Baqarah als „أُمَّةً وَسَطا“ (Volk der Mitte) vorstellt, das für ein Volk steht, das mäßig und entfernt von Übertreibungen und Untertreibungen ist.

Die Bedeutung des Volkes der Mitte

Die Kommentatoren des Qur’an bieten unterschiedliche Interpretationen in Bezug auf diese Thematik. Einige dieser Interpretationen werden im Folgenden angesprochen:

  1. Der Begriff „Mitte“ bedeutet zwischen zwei oder mehreren Dingen stehen; obgleich diese Dinge materieller oder spiritueller Natur sind. Man kann auch behaupten, dass „Mitte“ dafür steht, zwischen zwei Seiten zu stehen (also weder zu der einen Seite zu gehören, noch zu der anderen Seite). Unter der Beachtung dieser wörtlichen Bedeutung sehen einige Kommentatoren den Zweck von „Mitte“ in diesem Qur’anvers als eine Thematik zwischen Übertreibungen und Untertreibungen und äußern folgendes: Das Volk der Mitte ist ein mäßiges Volk, welches sowohl von den Schäden der Übertreibungen bewahrt als auch von den Folgen von Untertreibungen beschützt ist.

Die anderen Gruppen sind entweder in den Fängen der Übertreibung oder in Untertreibungen versunken. Auf der Seite der Übertreibungen standen die Heiden, die sich zu natürlichen Manifestationen und materiellem Vergnügen hingezogen fühlten und auf der Seite der Untertreibungen standen die christlichen Mönche, die sich aufgrund ihrer Orientierung an der Spiritualität der Stärkung ihres Geistes widmeten und die materiellen und natürlichen Manifestationen meiden.

Diese zwei Gruppierungen haben sich vom gesunden Mittelmaß entfernt; aus diesem Grund wird das islamische Volk, aufgrund der Zerstreuung der Eigenschaften dieser zwei Gruppierungen als auch aufgrund des Beistandes von Metaphysik und den Manifestationen der Natur in der Stärkung der materiellen als auch der spirituellen Dimension, als „Volk der Mitte“ bezeichnet.

Die islamischen Lehren besagen, dass das Volk des Islam im Gegensatz zu den anderen Völkern genau diese Situation  besitzen sollte; da eine Gruppe der Menschen sich nur an der Dimension der Materialität orientiert und sich nichts anderes wünscht als das weltliche Leben und die Erlangung weltlicher Freude und Ruhe und materiellen Luxus und spirituellen und geistlichen Tugenden nicht die geringste Aufmerksamkeit würdigt.

Eine andere Gruppe von Menschen erachtet nur die Stärkung des Geistes als wichtig und lädt allein zur Abkehr von der Welt und dem Mönchstum ein. Sie besagen, dass der Mensch körperliche Vollkommenheit und materielle Freuden vollständig aufgeben muss, damit diese Entfernung von der Welt zu einem Mittel zur Erlangung des Zieles wird, wozu Gott den Menschen überhaupt erschaffen hat.

Der allmächtige Gott hat das islamische Volk jedoch als Volk der Mitte ernannt; er hat ihnen also eine Religion offenbart, welche ihre Anhänger in Richtung des Weges der Mitte und der Mäßigung leitet. Ein Weg, der weder die Übertreibung der einen Seite noch die Untertreibungen der anderen Seite verkörpert.

Diese Vorgehensweise richtet sich nach dem Schöpfungssystem; der Mensch ist nämlich im Besitz von zwei Dimensionen – dem Körper und dem Geist. Wenn der Mensch also die Glückseligkeit des Lebens erlangen möchte, benötigt er sowohl die materielle als auch die spirituelle Vollkommenheit und muss unter beiden Tugenden sammeln.[1] Aus diesem Grund ist das islamische Volk, ebenso wie der edelmütige Prophet (s.) ein vollkommenes Vorbild für das islamische Volk und dessen Beweis ist, auch ein Beweis und Zeuge und vollkommenes Beispiel für die anderen Völker. Daher liegt der Zweck von „Zeuge“ im besagten Qur’anvers im Vorbild und Beweis. Es ist nennenswert, dass diese Bedeutung genau und in ihrer Position gerecht und berechtigt ist, woran auch seine Exzellenz Allameh Tabatabaei in seiner Tafsir Al-Mizan erinnert.

Dieser heilige Qur’anvers bezieht sich jedoch nicht darauf und bestätigt nicht die Belege und Beweise.[2] Wenn der heilige Qur’anvers nämlich auf absolute Weise folgendes offenbaren würde: „Wir haben euch als Volk der Mitte ernannt.“, wäre die Annahme, dass mit Volk der Mitte ein Volk, das an Mäßigkeit orientiert ist, gemeint ist, richtig und nun werden die zwei Seiten in diesem heiligen Qur’anvers verdeutlicht und bestimmt und „die Bezeugung und Bestätigung“ sind zum Pol der mittleren Position bestimmt worden.

  1. Einige rechtfertigen die Bezeichnung „Volk der Mitte“ für den Islam damit, dass die Muslime in Bezug auf die Propheten nicht wie einige übertrieben haben und sie als Kind Gottes bezeichnen, wie es einige in Bezug auf seine Exzellenz Jesus (a.) annehmen; noch untertrieben die Muslime, sodass sie mit dem Mord an göttlichen Propheten einverstanden wären und eine solch anstößige Tat begehen würden:

وَ يَقْتُلُونَ النَّبِيِّينَ بِغَيْرِ الْحَق       (al-Baqarah | 2:61)

In Beziehung auf diese Interpretation muss erwähnt werden, dass mit der Bezeichnung „Volk der Mitte“ in diesem Qur’anvers nicht diese Thematik gemeint ist, obwohl sie nach einigen Qur’anversen vollkommen richtig ist. Abgesehen davon, dass unter diesem Volk auch rebellische Gruppierungen einen Mord an Imamen der Reinen Nachkommenschaft des Propheten (a.), welche den vorangehenden Propheten ähneln, begehen.

  1. Einige Kommentatoren des Qur’an wie beispielsweise Ayatollah Javadi Amoli sind der Ansicht, dass mit „Volke der Mitte“ Auserwählte des islamischen Volkes gemeint sind, die aufgrund ihrer Beziehung zum verehrten Propheten (s.) eine hohe Entwicklung und Erhebung erlangt haben und als Vermittler zwischen seiner Exzellenz und den Menschen fungieren und von oben die göttliche Gnade und den göttlichen Segen erhalten und diese nach unten bringen.

Der vollständige Beweis für diese besondere Gruppe ist die Reine Nachkommenschaft des Propheten (a.). Diese Personen, welche selbst in der Bezeugung und Präsenz des Propheten (s.) stehen, sind Zeugen und Beobachter und Beweise der Gedanken und Taten und Moral anderer Menschen. Mit anderen Worten hat der allmächtige Gott sie mit dieser Tugend gesegnet, damit sie zwischen dem Propheten des Islam (s.) und den restlichen Menschen stehen, damit diese Gläubigen wie auch der edelmütige Prophet (s.) als Vermittler für göttliche Gnade und Leitung der Gläubigen fungiert und ihre Taten beobachtet, aber ebenso als Vermittler der Leitung der Menschen, deren Taten und Verhalten ihm bewusst werden.

Sie überreichen also die Gnade, welche sie vom edelmütigen Propheten (s.) erhalten haben, den Menschen. Auf diese Weise sind sie Vertreter der Tradition des edelmütigen Propheten (s.) und haben aufgrund ihrer Beziehung zu seiner Exzellenz durch Lernen und Katharsis Erhebung erlangt und werden Zeugen der Taten anderer Menschen sein.[3] Der oben genannte Qur’anvers stellt nämlich die Frommen vor, welche diese Religion befolgen und Vollkommenheit erlangt haben.

Dieser heilige Qur’anvers verehrt nicht nur die Muslime, sondern erinnert sie auch daran, dass sie sich der Aufsicht des edelmütigen Propheten (s.) ergeben sollten und sich in seiner Präsenz und seinem Antlitz sehen sollten, ebenso wie sie auch andere Menschen beobachten. Eine solche Gesellschaft ist aufgrund des Bewusstseins über die Beobachtung solcher Zeugen pflichtbewusster und achtet auf ihren Glauben, ihre Moral und ihre Taten.

Ein weiterer Aspekt liegt darin, dass die Zielgruppe dieses Satzes und ähnliche Aussagen, wie beispielsweise folgender Qur’anvers:

كُنْتُمْ خَيْرَ أُمَّةٍ أُخْرِجَتْ لِلنَّاسِ تَأْمُرُونَ بِالْمَعْرُوفِ وَ تَنْهَوْنَ عَنِ الْمُنْكَرِ وَ تُؤْمِنُونَ بِاللَّهِ

„Ihr seid die beste Gemeinschaft, die für die Menschen hervorgebracht worden ist. Ihr gebietet das Rechte und verbietet das Verwerfliche und glaubt an Allah.“ (Al-i-Imran | 3:110), nicht alle Muslime im Allgemeinen betrachtet; der Qur’an meint damit nämlich eine besondere Gruppe des islamischen Volkes. Erstens weisen nämlich einige Verse des Qur’ans auf die Unzufriedenheit des allmächtigen Gottes über einige Muslime hin. Und zweitens wird der Begriff „Volk“ in Bezug auf eine besondere Gruppe und eine bestimmte Gemeinschaft verwendet.

Aus diesem Grund sind einige Muslime, welche als Volk der Mitte angesehen werden, einerseits Aufsicht und Beobachter derjenigen, die unter ihnen stehen und befinden sich andererseits selbst unter der Aufsicht und der Beobachtung derjenigen, die über ihnen stehen: „ لِتَكُونُوا شُهَداءَ عَلَى النَّاسِ وَ يَكُونَ الرَّسُولُ عَلَيْكُمْ شَهيداً“.

Wenn der Mensch nicht mit demjenigen, der über ihm steht, in Verbindung steht, kann er nicht denjenigen, der unter ihm steht, beaufsichtigen und beobachten. Aus diesem Grund besteht der einzige Weg zur Bezeugung der Taten anderer Menschen in der Beziehung zum edelmütigen Propheten (s.) und wenn der Mensch den Propheten (s.) nicht als Zeugen seiner Gedanken, Moral und Taten erachtet, erlangt er nicht die Position eines Zeugen der Taten anderer Menschen.

Das Wesen dieser Vermittlung liegt darin, die göttlichen Gnade und den göttlichen Segen und die göttlichen Gebote vom verehrten Propheten (s.) zu empfangen und diese den Menschen zu überbringen und sie dem Propheten und seiner Tradition anzunähern. Daher liegt der Zweck von „Mitte“ im Satz „جَعَلْناكُمْ أُمَّةً وَسَطاً“ zwischen oben und unten in der vertikalen Erstreckung und nicht zwischen links und rechts auf horizontaler Ebene. Wenn aber nach dem Satz „جَعَلْناكُمْ أُمَّةً وَسَطاً“ nicht auf die unterschiedlichen Seiten dieser Mitte hingewiesen wäre, könnten die übrigen erwähnten Aspekte richtig sein.

Die Bedeutung der Bezeugung

In Bezug auf die Bedeutung der Bezeugung des Volkes der Mitte wurden auch unterschiedliche Interpretationen offenbart. Auf einige dieser Interpretationen wird im Folgenden eingegangen:

  1. Diese Deutung kann auf die Funktion als Modell und Vorbild hinweisen. Man wählt nämlich immer unter den vorbildlichen Menschen Personen als Zeugen und Beobachter. Dies bedeutet, dass das islamische Volk mit ihren Glaubensansichten und Lehren ein vorbildliches Volk ist, ebenso wie der Prophet (s.) unter ihnen eine vorbildliche Person war. Mit seinen Taten und Programmen bestätigt das islamische Volk, dass ein Mensch sowohl ein Mann der Religion als auch ein Mann der Welt sein kann, dass ein Mensch gesellschaftlich sein kann und zur selben Zeit seine spirituellen und geistigen Dimensionen vollständig bewahren kann. Das islamische Volk bestätigt mit seinen Glaubensansichten und Programmen, dass Religion und Wissenschaft, Diesseits und Jenseits nicht nur keinesfalls in Konflikt zueinander stehen, sondern sich gegenseitig sogar ergänzen.
  2. Da dieses Volk ein Volk der Mitte und Gerechtigkeit ist, müssen beide Seiten der Übertreibung und Untertreibung an ihm gemessen werden; und da der Prophet des Islam (s.) das beste Beispiel dieses Volkes darstellt, wird er als Messwert der Taten dieses Volkes erachtet und die Mitglieder des Volkes müssen sich mit ihm messen. Das Volk stellt auch einen Maßstab dar, an dem die Situation der restlichen Menschen gemessen wird. Schließlich müssen sich die Menschen, welche sich auf den zwei Seiten der Übertreibung und Untertreibung befinden, mit dem islamischen Volk messen und sich ihrer Übertreibungen und Untertreibungen bewusst werden.
  3. Die Bezeugung steht in der Bedeutung der Präsenz und des Bewusstseins und wie bereits erwähnt wurde, liegt ihr Zweck dieses heiligen Qur’anverses in der Bezeugung der Taten von Menschen. Der heilige Qur’an stellt eine Gruppe von Menschen als präsent und Zeugen über die Taten der Menschen vor. Diese Gruppe beobachtet die Taten der Menschen im Diesseits und bezeugt diese im Jenseits und erläutert sie. Im Jenseits werden die Taten der Menschen anhand ihrer Absichten gemessen, da das Äußere der Tat eines Gläubigen mit den Heuchlern übereinstimmt und allein die Unterschiede zwischen diesen beiden die Absicht der Tat bildet.

Aus diesem Grund müssen die Zeugen im Diesseits in Bezug auf wissenschaftliche und praktische Aspekte über das Innere der Menschen informiert sein, aber da nicht alle Mitglieder des Volkes das erforderliche Wissen und die erforderliche Gerechtigkeit besitzen, muss diese Position einer besonderen Gruppe aus diesem Volk zugesprochen werden. Aus diesem Grund liest man in den Überlieferungen, dass mit Volk der Mitte die Reine Nachkommenschaft des Propheten (s.) gemeint ist, weil sie erstens über alle Taten Bescheid wissen und zweitens Gerechtigkeit besitzen.

Die Bezeugung der Taten anderer Menschen unterscheidet sich jedoch von der  Prophezeiung und Prophetie und dem Imamat, indem sie keine exklusive Position erfordert, welche allein den Propheten und der Reinen Nachkommenschaft (a.) zugesprochen ist, sondern der Position der Sittsamkeit gleicht, welche auch von den anderen Menschen erlangt werden kann. Die Position der Bezeugung über die Taten und das Bewusstsein über das Innere der anderen Menschen wird nämlich auch göttlichen Gelehrten und den besonderen Gefährten und Schülern der Reinen Nachkommenschaft des Propheten (a.) zugesprochen.

Der heilige Qur’an offenbart diesen Aspekt, dass Gott und der Prophet und die Gläubigen die Taten der Menschen im Diesseits beobachten, auf sehr klare und deutliche Weise:

وَ قُلِ اعْمَلُوا فَسَيَرَى اللَّهُ عَمَلَكُمْ وَ رَسُولُهُ وَ الْمُؤْمِنُونَ وَ سَتُرَدُّونَ إِلى‏ عالِمِ الْغَيْبِ وَ الشَّهادَةِ فَيُنَبِّئُكُمْ بِما كُنْتُمْ تَعْمَلُونَ

„Und sag: Wirkt! Allah wird euer Tun sehen, und (auch) Sein Gesandter und die Gläubigen. Und ihr werdet zum Kenner des Verborgenen und des Offenbaren zurückgebracht werden, und dann wird Er euch kundtun, was ihr zu tun pflegtet.“ (At-Tauba | 9: 105)

Der Weg zur Erlangung der Position als Zeugen

Der heilige Qur’an sieht den Weg zur Erlangung der Position als Zeugen und das Bewusstsein über das Innere anderer Menschen in der Befolgung der Religion Gottes und der rechtgläubigen Konventionen seiner Exzellenz Abraham (a.) an und offenbart folgendes: „Und müht euch für Allah ab, wie der wahre Einsatz für Ihn sein soll. Er hat euch erwählt und euch in der Religion keine Bedrängnis auferlegt, dem Glaubensbekenntnis eures Vaters Ibrahim: Er hat euch Muslime genannt, zuvor und (nunmehr) in diesem (Qur’an), damit der Gesandte Zeuge über euch sei und ihr Zeugen über die Menschen seid.“ (Al-Hajj | 22:78)

Die Änderung der Qibla[4] von Jerusalem zur Al-Haram-Moschee

Der allmächtige Gott offenbart in der Fortführung dieses Qur’anverses einige Aspekte der Änderung der Qibla der Muslime und deren Philosophie. Ein bedeutender Vorfall in der Geschichte des Islam, der eine unermessliche Welle unter den Menschen verursacht hat, war die Thematik der Änderung der Qibla. Der edelmütige Prophet des Islam (s.) betete während eines Zeitraums von 13 Jahren, nachdem er in Mekka zur Mission erkoren wurde und einige Monate nach der Auswanderung nach Medina nach dem Willen Gottes in die Richtung „Al-Quds“ (Jerusalem). Danach änderte sich jedoch die Qibla und die Muslime wurden damit beauftragt, in Richtung der „Kaaba“ (Mekka) zu beten.

Nach historischen Überlieferungen war seine Exzellenz, der edelmütige Prophet (s.), Mitte des Monats Rajab damit beschäftigt, sein Mittagsgebet in der Bani Salameh Moschee (بنی سَلَمِه) zu verrichten, als  das Gebot zur Änderung der Qibla seitens des allmächtigen Gottes ausgesprochen wurde, und der Prophet (s.) sich während des Gebets in Richtung der Al-Haram-Moschee richtete und die restlichen zwei Gebetseinheiten seines Mittagsgebets in Richtung der Kaaba verrichtete.

Aus diesem Grund ist diese Moschee in der Geschichte des Islam als Masjid Al-Qiblatain (also Moschee, die zwei Gebetsrichtungen besitzt) bekannt geworden. Die Änderung der Qibla von der Al-Aqsa-Moschee zur Al-Haram-Moschee kam den Juden und Gegnern Medinas teuer zu stehen. Die Juden beschuldigten nämlich bis zu diesem Tag die Muslime und äußerten Folgendes: Mohammad (s.) besitzt keine Qibla und betet in Richtung unserer Qibla.

Der edelmütige Prophet Gottes (s.) war aufgrund dieser Beschuldigungen seitens der Juden und Gegner gekränkt; mit dem Gebot der Änderung der Qibla löste sich jedoch die Grundlage der Beschuldigungen auf und die Juden wurden entwaffnet.  Der allmächtige Gott richtete sich bei dem Gebot der Änderung der Qibla an den Propheten (s.) und offenbarte folgendes:

قَدْ نَرَى تَقَلُّبَ وَجْهِكَ فِي السَّمَاء فَلَنُوَلِّيَنَّكَ قِبْلَةً تَرْضَاهَا فَوَلِّ وَجْهَكَ شَطْرَ الْمَسْجِدِ الْحَرَامِ وَحَيْثُ مَا كُنتُمْ فَوَلُّواْ وُجُوِهَكُمْ شَطْرَهُ

„Wir sehen ja dein Gesicht sich (suchend) zum Himmel wenden. Nun wollen Wir dir ganz gewiss eine Gebetsrichtung zuweisen, mit der du zufrieden bist. So wende dein Gesicht in Richtung der geschützten Gebetsstätte! Und wo immer ihr seid, wendet eure Gesichter in ihrer Richtung! Diejenigen, denen die Schrift gegeben wurde, wissen sehr wohl, dass dies die Wahrheit von ihrem Herrn ist. Und Allah ist nicht unachtsam gegenüber dem, was sie tun.“ (Al-Baqarah | 2:61)

Aber diese Änderung der Qibla sorgte für die Bildung zahlreicher Fragen seitens des muslimischen und nicht-muslimischen Volkes, wie beispielsweise: Worin besteht die Philosophie der Änderung der Qibla? Wenn bereits zu Beginn klar war, dass die Qibla geändert wird; wieso wurde dieses Gebot nicht bereits am ersten Tag der Mission offenbart? Wieso haben die vorherigen Propheten von Beginn an in Richtung Jerusalem gebetet, und der Prophet des Islam (s.) verrichtete sein Gebet in Richtung Kaaba, nachdem er einige Zeit in Richtung Jerusalem gebetet hatte? Und viele weitere Fragen.

Die Philosophie der Qibla-Änderung

In Bezug auf die Philosophie der Qibla-Änderung gibt es zahlreiche Analysen. Einige nehmen an, dass die anfängliche Wahl Jerusalems als Qibla mit der Absicht das Interesse jüdischer Gläubige zu wecken, damit sie die Muslime begleiten und sich selbst zum Islam bekehren, erfolgte. Als die Muslime selbst die erforderliche Macht und Fähigkeit erlangten, sei die Anwerbung jüdischer Gläubiger nicht mehr nötig gewesen.

Weitere Personen äußern folgendes: Die Vorliebe des Propheten (s.) und seiner Gefährten für seine Heimat und Geburtsstätte, also Mekka, führte dazu, dass die Qibla geändert wurde. Diese Analysen werden aber als abergläubisch und widersprüchlich erachtet.

Der Qur’an eröffnet und besteht nämlich darauf, dass die Änderung der Qibla eine göttliche Prüfung darstellte, um die wahren Anhänger des Propheten (s.) zu erkennen. Diejenigen, die keinen reinen Glauben besitzen, beginnen nämlich sofort nach der Änderung eines Gebotes Fragen zu stellen und zu hinterfragen, wieso die Änderung auf eine solche Weise durchgeführt werde? Sie fragen, was denn mit ihren Taten nach dem vorherigen Gebot passiert? und viele weitere Fragen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass folgender Aspekt einen bedeutenden Grund für die Änderung der Qibla darstellt: Da zu Beginn der Mission des edelmütigen Propheten (s.), als seine Exzellenz in Mekka war, die Kaaba umgeben von Götzen der Heiden und die heilige Stätte der Muslime und der Heiden somit gleich war, wurde das Gebot offenbart, dass die Muslime zunächst in Richtung Jerusalem beten sollten, um sich auf diese Weise von den Ungläubigen zu trennen. Als sie aber nach Medina auswanderten und eine Regierung bildeten und ihre Einstellung sich vollkommen von der der anderen unterschied, war die Fortführung dieser Situation nicht mehr erforderlich, sodass sie ab diesem Zeitpunkt in Richtung Kaaba, also das älteste Zentrum des Monotheismus und den altbewährten Mittelpunkt der Propheten zurückkehrten.

Es ist offensichtlich, dass sowohl das Beten in Richtung Jerusalems für diejenigen, welche die Kaaba als ihr Kapital erachteten, schwierig war, als auch die Rückkehr von Jerusalem nach der Kaaba, nachdem sie sich an die erste Qibla gewöhnt hatten. Die Muslime haben sich somit einer Prüfung gestellt, damit der Geist absoluter Hingabe den Geboten Gottes gegenüber in ihnen geweckt wird.

Es ist wichtig, zu erwähnen, dass der allmächtige Gott an keinen Ort und kein Gebiet gebunden ist. Daher ist die Qibla ein Geheimnis in Gestalt der Einheit von Linien und monotheistischen Lehren, deren Änderung keinen Umbruch erzeugt. Allein die Hingabe seinen Geboten gegenüber und die Zerstörung dogmatischer und starrköpfiger sowie egoistischer Götzen ist von Bedeutung. Der allmächtige Gott verspricht den Menschen, die sich seinen Geboten hingeben, dass ihre vergangenen Taten nicht vergehen, da sie seinen Geboten gemäß erfolgten.

Bei der Fertigstellung dieses Artikels wurden folgende Quellen verwendet:

  • Abdollah Javadi Amoli: Tafsir Tasnim. 7. S. 314 – 3722.
  • Mohammad Hossein Tabatabaei: Tafsir Al-Mizan. Bd. 1. S. 484 – 489.
  • Naser Makarem Shirazi: Tafsir Nemoone. Bd. 1. 484 – 486.
  • Tafsir Noor. Bd. 1. S. 220 – 222.

[1] Tafsir al-Manar. Bd. 2. S. 4-5; Al-Wasit. Bd. 1. S. 225; Al-Tafsir Al-Kabeer. Bd. 2. S. 98.

[2] Allameh Tabatabaei: Almizan. Bd. 1. S. 319-320. << الميزان >>.

[3] Ayatollah Javadi Amoli: Tafsir Tasnim. Bd. 7, S. 323.

[4] Islamische Gebetsrichtung.